GREAT LAKE SWIMMERS: Lost Channels

Die GREAT LAKE SWIMMERS wurden mir im Vorfeld als Band in der Nachfolge von Jason Merritt angekündigt. Das ist natürlich eine Empfehlung, nicht nur weil ich den Banjofolk und das ergreifende Tremolo des publicityscheuen Portlanders schätze, sondern auch weil seine beiden Projekte, die Band TIMESBOLD und das Einzelunternehmen WHIP, die Welt nicht gerade mit Aufnahmen überschütten. Da ist ein bisschen Schulemachen mehr als legitim.

Strapaziert man die Referenz allzu sehr, so könnte sie sich zu einer undankbaren Messlatte entwickeln, und es wäre auch unfair, wollte man die Kanadier, die ihrem Bandnamen entsprechend tatsächlich aus dem Gebiet der Großen Seen stammen, ausschließlich über diesen Vergleich präsentieren. Einer der größten Unterschiede ist, dass die Great Lake Swimmers bei aller Traditionsbewusstheit auch so etwas wie eine Popgruppe sind, ähnlich wie viele dunkle Country-Kapellen a la FLYING HORSEMAN, die den unerreichten WOVENHAND nacheifern. Dass dies musikalisch nichts Schlechtes bedeuten muss, rechtfertigt sogar eine etwas zeitversetzte Review.

Die Palette dessen, was die Schwimmer aus ihrem geschmeidigen Americana Pop herausholen, ist respektabel. Dank seiner leichtfüßigen Gelöstheit ist “Palmistry” ein richtig schöner kleiner Evergreen zum Mitsingen, die abenteuerliche Stimmung des Songs vermag den Hörer schon nach wenigen Takten in ihren Bann zu ziehen. “Everything is Moving so Fast” dagegen lässt eine verhaltene Trauer anklingen. Fast immer ist es das lockere Drumming, hier mit leichtem Ethnoeinschlag, das die Songs vor Statik oder einer allzu melancholischen Stimmung rettet. Irgendwie sind die Great Lake Swimmers ohnehin so etwas wie Meister der Mäßigung – auch beim Gesang, der stets einen leichten Drall ins tremolierende Falsett bekommt, jedoch niemals so überdreht ausfällt wie bei Conor Oberst, Merrits Neffen im Geiste.

Neben neofolkigem Strumming („Pulling“), Seattle-Referenzen („She Comes to me in Dreams“), purer Romantik („New Light“) und schrägem Hinterwäldlertum („The Chorus in the Underground“) gibt es hin und wieder auch einen etwas gefälligen Moment. Alela Diane- und IRON & WINE-verwöhnte Ohren könnten an “Concrete Heart” Gefallen finden, vorausgesetzt, sie sind sich nicht zu fein, auch mal eine Band zu hören, deren Name sie noch nicht hundertmal im Rolling Stone gelesen haben.

Noch mal zur erwähnten Messlatte: Die Great Lake Swimmers haben einiges an eigenem stilistischen Potential. Dass sie keine enorme Tiefe vorzutäuschen versuchen, sondern lieber auf ihre eigene bodenständige Gelöstheit setzen, kommt ihnen zu Gute. Eine Band, die ihren Fankreis sicher noch erweitern wird. Fast schade, dass es schon so viele gute Folkbands gibt. (U.S.)