KAREN ELSON – The Ghost Who Walks

Karen Elsons Karriere als Musikerin hat aus zwei Gründen einen guten und einen schlechten Start. Zum einen ist sie ein erfolgreiches Model, das sich vor kurzem entschied, mit seinem bisherigen Steckenpferd, dem Singen und Gitarrespielen, ernst zu machen. Zum anderen ist sie die Gattin ihres Produzenten und Verlegers Jack White, seinerseits bekannt durch THE WHITE STRIPES, THE RACONTEURS und THE DEAD WHEATHER. Gut daran ist, dass Karen gleich einen Namen hat und ihre Zeit nicht mit Klinkenputzen und Spielen für lau vergeuden muss. Schlecht daran ist, dass sie erst beweisen muss, es eventuell auch ohne Starthilfe geschafft zu haben, wovon man die größten Nörgler und Spötter wohl nie überzeugt.

Die könnten eventuell darauf hinweisen, dass die in Nashville lebende Britin sich bei so ziemlich allem bedient, was die Vintage-Abteilung des popkulturellen Warenhauses im Dauerangebot hat. Die große Referenzära ihres Stilrepertoires sind die 60er, ihr größtes Interesse dabei liegt bei allem, was einen folkigen Touch hat. Was dabei herauskommt, sind zum Beispiel hybride Gespensterballaden wie der Titelsong. Umgeben von jugendkulturellem Nostalgie-Flair schlafwandelt Karen, beschallt von Orgel, Gitarre und Midtempo-Beat, durch eine nächtliche Landschaft, die im Umland eines Holzfällernestes wie Twin Peaks liegen könnte. Nichts allzu modern-unakustisches stört die anheimelnde Schauerromantik, und das Schöne ist – man vermisst es kaum. Ihre Schicksalsklage als Opfer der Liebe wirkt, als hätte das Leben selbst den Song geschrieben, und nicht erst beim endgültigen Wink mit dem Zaunpfahl, dem kurz eingespielten DOORS-Zitat am Piano, wird klar, dass all der Bricolage-Charakter gewollt ist, und überhaupt – man müsste schon ein ziemlich verkniffener Authentizitätshuber sein, um sich daran zu stören. Ebensowenig muss man sich an der groovigen Orgel in „The Truth in the Dirt“ stören, oder an augenzwinkernd vorgebrachten Zeilen wie „Here she comes, it’s killing time“, die das lyrische Ich dort zum Gegenstück der leidenden Wiedergängerin im Titeltrack machen. Und zu einem ebensolchen Gemeinplatz…

Zaunpfähle gibt es massig, beinahe übergroß ist derjenige, mit dem sie in „Stolen Roses“ winkt: Die persiflierende Nähe der von Akkordeon und Darkfolk-Strumming schwer gemachten Murder Ballad zum weit süßlicheren Duett von Nick Cave und Kylie Minogue wurde im musikbegeisterten Blätterwald schon ausgiebig durchgekaut. Insgesamt scheint Folkpop ihre Stärke zu sein, und es wäre erfreulich, wenn sie diesen Kurs beibehalten und ihr Talent als „balladeer“ weiter ausbauen würde. Weitere Höhepunkte dieser Kunst gibt es im hippiesken „The Birds They Circle“ oder im von einer schwermütigen Neofolkgitarre geerdeten „Garden“. Doch Karen hat auch Erfahrungen in der Welt des Kabarett und Chanson gesammelt, die sie in Songs wie „100 Years From Now“ einfließen lässt.

Ohne dass das Karen Elsens Stil noch einmal zusammenfassen soll, geht meine Empfehlung an alle, in deren Plattensammlung Nick Cave, THE DRESDEN DOLLS, Gemma Ray und Joanna Newsom ihren Platz haben. Natürlich auch an Freunde rothaariger Frauen und generell an die Folklobby unter den Lesern. (U.S.)