PREMATURE EJACULATION: Rise

Die Veröffentlichung von Material von Rozz Williams’ Experimentalprojekt geht in die sechste Runde. Hat man insbesondere im Noisegenre durch die Verfügbarkeit günstiger Datenträger oftmals den Eindruck, dass Bands wie z.B. Wolf Eyes jede noch so misslungene Jamsession veröffentlichen – ob das nun immer einen musikalischen Wert hat, muss man sich fragen-,  ist der Ausgangspunkt bei der „Lost Recordings“-Reihe, diesem vor einiger Zeit hier detailliert vorgestellten Mammutprojekt, ein etwas anderer, muss man immer wieder betonen, dass die ganze umfangreich angelegte (Wieder-) Veröffentlichungsaktion primär dokumentarischen und archivarischen Charakter hat, insofern stellt sich die Frage nach Ausgereiftheit und Veröffentlichungsrelevanz der einzelnen Tracks nur partiell, geht es doch vielmehr darum, Aufnahmen von jemandem zugänglich zu machen, der fortwährend unter teils prekären Bedingungen obsessiv experimentierte.

„Rise“ ist laut Labelinfo irgendwann zwischen 1983 und 1987 entstanden, die Aufnahmen hatte Rozz auf die zweite Seite der Kassette aufgenommen, auf dessen A-Seite sich das  von William Bennetts Come Organisation veröffentlichte „Necrophilia“-Tape befand (Williams’ Geld- und (und dadurch bedingte) Tape-Knappheit sind legendär).  Alle Tracks klingen roh, ungeschliffen, oft fragmentarisch und sind manchmal vielleicht nur Versuche, ein Austesten. Das das Album eröffnende „Not receiving“ ist ein monotones, für Premature Ejaculation-Verhältnisse recht lärmiges Stück, bei dem man den Eindruck bekommt, jemand suche in einer entvölkerten Welt nach noch funktionierenden Radiofrequenzen: Inmitten des white noise tauchen Stimmfragmente, Musikfetzen auf, die aber sofort wieder im Äther verschwinden. Das ist eine achtminütige tour de force durch das Chaos. Auch „Vacuum“ ist sehr krachig und endet mit hochfrequentem Feedback, das (vielleicht nur zufällig) an die Hausband der Come Organisation erinnert. Tracks wie „Vicious circle“, „Rise“, „Un…“ oder „On the verge“  weisen dagegen Parallelen zu dem Aufbau anderer früher PE-Stücke auf: So werden wieder verschiedene Loops miteinander kombiniert, die den Tracks Collagencharakter geben. Diese zwölf zwischen 16 Sekunden und knapp neun Minuten langen Tracks sind Stimmen, die (immer wieder) auch als Dokumente der Kehrseite des amerikanischen Traums verstanden werden können und die weit vom primitiven Patriotismus und der bornierten Biederkeit der Masturbationsgegner und von Kameras begleiteten durchs Unterholz stapfenden,  intellektuell defizitären Gestalten entfernt sind, deren Stimmen augenblicklich leider allzu deutlich zu vernehmen sind.

(M.G.)