SLIM CESSNA’S AUTO CLUB: Unentitled

Da sind sie wieder, die sechs traditionsbewussten Anarcho-Cowboys aus Denver, Colorado, die Helden der Prädestination und des Polka Punk. Genug der Klischees? Nein. Denn erneut spielen sie den Filmscore für den letzten Gothic Western vor der Apokalypse.

SLIM CESSNA’S AUTO CLUB, kurz SCAC, spielen eine Musik, die in erster Linie unmittelbar wirkt, die in Herz, Beine und Bauch geht und zum Pogo animiert. Oder zum Mitjodeln mit der Hand auf der Brust. Ihre Songs können eine ernsthafte, fast sentimentale Schwere aufweisen und im nächsten Moment fast prollige Partystimmung evozieren. Ihre Texte künden von Gottesfurcht und Erlösung, doch ebenso von profanen Mythen eines Alltags, der zumindest der Bildlichkeit halber mit amerikanischem Grenzerkolorit ausgestattet ist. Angenommen, SCAC können als „reaktionäre“ (sprich: die amerikanische Gründerzeit mystifizierende) Band verstanden werden, was findet jemand wie Labelchef Jello Biafra an ihnen, mit dem Mastermind Cessna ebenso klüngelt wie mit Michael Moynihan? Vielleicht das Anarchische, Unangepasste, mit dem die Band die amerikanische Gegenkultur für eine Sphäre jenseits von Campus und vollbärtigen Fashion Victims rettet. Die Kombination aus Glaube und bodenständiger Ausgelassenheit mag hierzulande allerhand trashige Redneck-Klischees evozieren. Die Band allerdings umgibt eine schwer greifbare Freigeistigkeit, die all solchen Stereotypen entgegen steht. Einen resoluten Song gegen die Verführung durch den Teufel zu schreiben, mag redlich und gut sein, doch nur bei Slim Cessna ist es immer noch Rock’n Roll.

Ob das ska-punkige „The Unballed Ballad Of The New Folksinger“ als Schelte in Richtung Schwundstufen-Folk gehen soll – wer weiß das schon? „Unballed“ ist der Song jedenfalls nicht, vielmehr strotzt das Album erneut vor Kraft und Sinnenfreude. Das gilt für „A Smashing Indictment Of Character“, das wie ein trauriger Country & Western-Schlager beginnt und sich zu einem entfesselten Schuhplattler hocharbeitet, bei dem sich mancher Mitteleuropäer fragen wird, wie ernst das gemeint ist. Ebenso für „They Will Be Done“, bei dem die Band erneut eine ihrer größten Stärken in Szene setzt, nämlich das gesangliche Wechselspiel zwischen Cessna und der ungleich kehligeren Stimme Jay Munlys, die immer ein wenig an David Bowie erinnert. Dass Munly auch ein guter Vorleser ist, kommt in „Hallelujah Anyway“ zum Tragen, während Cessna seinen bluesigen Call and Response-Gesang in „Do You Know Thee Enemy“ zur Höchstform auflaufen lässt.

SCAC sind versierte und routinierte Musikhandwerker, was man aus jedem Takt des neuen Albums heraushören kann. Bei der aktuellen Tour können sie erneut ihren Ruf als Livekapelle festigen, an neuen Krachern mit großem Live-Potential sollte es mit „Unentitled“ im Gepäck nicht fehlen. (U.S.)