THE GREEN MAN: Horus Calling

Die italienische Band THE GREEN MAN schlug auf ihrem Debüt „From Irem to Summerisle“ einen Bogen von der von Legenden umrankten Stadt Irem zu der fiktiven schottischen Insel, auf der Christoper Lee in „The Wicker Man“ (dem Film, dem die Band auch ihren Namen verdankt) als Lord Summerisle residiert. Auf der einige Jahre später wiederveröffentlichten  CD thematisierte man auf einem Bonustrack noch das Liber AL vel Legis (vulgo: das Buch des Gesetzes). Das zweite Album beschäftigte sich mit den Thesen einer australischen Theologin, deren – gelinde gesagt – steilen Thesen Konspirationstheoretiker, Esoteriker und Dan Brown-Fans gleichermaßen zu verzücken wissen (nach ihrer Interpretation der Qumran-Rollen hat Jesus noch einige Jahre nach der vermeintlichen Kreuzigung weitergelebt und – natürlich! – einen Sohn mit Maria Magdalena gezeugt). Ungeachtet der Anfechtbarkeit ihrer Thesen – der Rezensent muss unweigerlich etwas gequält lächeln –  bestach das Album „The Teacher and the Man of Lie“ durch seine konzeptionelle Geschlossenheit und seine durchgängig gelungene musikalische Umsetzung: In das Folkfundament wurden – dem Thema angemessen –orientalische Klängen eingelassen und THE GREEN MAN hoben sich wohltuend aus der Masse der Epigonen hervor, die im Neofolk ansonsten so gerne zu finden sind.

Dieser sehr kurze Abriss macht deutlich, dass THE GREEN MAN zwar immer wieder den einen oder anderen szeneüblichen Topos gestreift haben, dies aber meistens auf originelle und musikalisch wenig engstirnige Weise taten. Nachdem man im vergangenen Jahr mit verschiedenen italienischen Musikern am „Folk Studio“-Projekt teilnahm, bei dem traditionelle italienische Lieder neu interpretiert wurden, erscheint nun eine MCD, die das Warten auf das angekündigte dritte Album verkürzen soll. Der Blick aufs Cover und der Titel machen klar, dass hier Frater Perdurabos Aufenthalt in Kairo Thema ist, bei dem dieser Horus anrief und ihm später Aiwass das Buch des Gesetzes diktierte (man denke sich das oben erwähnte gequälte Lächeln mit). „Horus Calling“ ist weniger ein reiner Folksong, sondern weist Rockelemente auf. Mit „Gently Johnny“ verweist man wieder einmal auf einen zentralen Einfluss, nämlich den „Wicker Man“, in dem dieser Song ursprünglich zu hören war. War dort durch Gesang, Text (“I put my hand all on her thigh/She says to me do you want to try?/I put my hand all on her belly/She says to me do you want to fill ‘ee“) und musikalische Umsetzung eine klare Linie zu den im Film dargestellten Gebräuchen und Fertilitätsriten gegeben, ist die Version von THE GREEN MAN wesentlich weniger am Folk orientiert und passt gut zu dem Eröffnungstrack. Betrachtet man die bisherige Geschichte der Band, so ist die thematische Ausrichtung auf dieser MCD nicht sonderlich überraschend, aber dadurch bedingt eben auch nicht unglaublich originell. Durch den Verzicht auf eine allzu offensichtliche Folkausrichtung gelingt es den Italienern aber dennoch, gewisse Vorhersehbarkeiten zu vermeiden und man verspürt fast schon eine gewisse Kluft zwischen Artwork und Musik. Irgendwie könnten die beiden Stücke auch im Mainstreamradio laufen, ohne dass es groß auffiele (und das sollte man eben nicht unbedingt als Kritik lesen). Wie dann das dritte Album – das der Legende nach immer das schwierigste sein soll – dann klingen wird, wird sich zeigen, aber eine gewisse Erweiterung des thematischen Spektrums wäre wünschenswert (hat mir ein Bote von Horus ins Ohr geraunt).

(M.G.)