Irgendwann vor ein paar Jahren waren sie da, die Achziger als positive Bezugsgröße derzeitiger Popmusik. Schnell waren sie allgegenwärtig, zuletzt so selbstverständlich, dass man sie bald kaum noch hervorheben musste. Mittlerweile kann man die Frage, inwiefern sie nur Vorstufe von etwas waren, das noch kommen sollte, unter veränderten Vorzeichen neu stellen. Ein großes Novum, das sich im New Wave und seinen musikalischen Ausdrucksformen abzeichnete, war eine neue Sprache über Liebe – wie niemand sonst beschrieb Martin Büsser wiederholt, wie sie nach dem vorläufigen Scheitern von Peace and Love heikler, diffiziler, doppelbödiger und auch verklemmter wurde. Alles nur Schöne dagegen, jedes einfache Happy End, war nur noch dort legitim, wo es schmonzettig und trivial zuging.
Sixth June, das aus Lidija Andonov und Laslo Antal bestehende serbische Duo greift diese Entwicklung auf, und dies so vollkommen stilecht, dass man meinen könnte, sie hätten die frühen 80er mit ihren poppigen New Romantic-Discos und ihrer unterkühlten Emotionalität hautnah miterlebt. Bereits vor vier Jahren brachte das Pärchen, das irgendwann beschloss, in Deutschland zu leben, eine 12” LP voll mit knarzigem Synthie Wave heraus, als Vorgeschmack auf ihr angekündigtes CD-Debüt erschien vor kurzem das vorliegende Minialbum.
Der Titelsong ist gleich der Ohrwurm, und könnte auf den ersten Eindruck fast ein „Sweet Dreams“-Zitat sein. Einfach, dynamisch, verträumt, berührend. „Today“ rockt sogar, aber nur dezent unter einer starken Schicht aus tagträumerischer Lethargie. Vergleiche mit DAF oder Soft Cell, die anderswo gezogen wurden, überzeugen wenig: Mag der Rhythmus auch der gleiche sein, so war deren Vorstellung von New Wave doch bei allem Morbiden lebensfroher, vitaler, dekadenter, die Bands waren Sanguiniker durch und durch. Sixth June dagegen besingen eher die stilvolle, kühle Tristesse, die man von Visage oder Boytronic her kennt. „Come Closer“ klingt oberflächlich betrachtet nach kühler Distanz: Natürlich spricht die sanfte Stimme Lydias bereits eine andere Sprache. Von der Gesangstechnik her könnte sie von Dave Gahan der „Some Great Reward“-Phase geprägt zu sein, in den dunkleren Momente weckt ihre Stimme Assoziationen zu Nico. Ist der Beat erst einmal im Uptempo-Bereich angekommen, erscheint er fast ein bisschen zu einfach, erinnert an klassischen EBM. Irgendwann ist der Song dann auch einfach fertig, ausgefaded, man fragt sich, ob da nicht noch was hätte kommen können. „Inside“ ist einsames, abgeklärtes Driften durch eine kühle Jim Jarmush-Welt, eine Sehnsucht nach Bedeutung, die nicht zum Ausdruck gebracht wird, aber als Frage umso mehr nachhallt. Am meisten beeindruckt das abschließende „82“, dessen melancholische Diskobeats an den Nerven zerren, während die gehauchten, wortlosen Vocals zum Tanz animieren – „with tears in my eyes“.
Sixth June wollen Retro sein und haben kein Interesse, das Rad der Musik neu zu erfinden. Das ist legitim, aber ein paar überraschende Wendungen mehr in der Gestaltung der Songs wären auch nicht schlecht gewesen. Vielleicht tut sich da ja noch was auf dem Longplayer, für den ich mir wieder den etwas raueren Klang des Debüts wünschen würde.
A. Kaudaht
Label: Mannequin