SEWN LEATHER: Sikknastafari Slash Crasstafari

Über Sewn Leather ist hierzulande bisher nur wenig berichtet worden, und es wäre problematisch, die Musik des im Nordwesten der USA lebenden Griffin Pyn als Rhythm Noise vorzustellen, auch wenn Rhythmik und verzerrter Analogsound zu den Hauptmerkmalen seines Outputs zählen. Zu sehr wurde die einst durch Gruppen wie Esplendor Geometrico zur Popart verklärte schöne Maschine zum Klischee ihrer selbst. Und nachdem nunmehr auch das Markenzeichen Postpunk nur noch Assoziationen zur zweihundertsten Joy Division-Gedächtnisband weckt, sollte man auch mit diesem Label vorsichtig umgehen.

Mögen Sound und Lebensgefühl auch um solche Elemente kreisen, so ist die Ritualistik des Einmannprojektes dennoch eine komplett andere – von repetitiver Einhämmerung von Struktur, vom Stechschritt, der auch in der schweißtreibenden Verausgabung noch in resignative Monotonie mündet, ist Pyns LP „ Sikknastafari Slash Crasstafari“, die an diverse Tapes und eine 7” anknüpft, ebenso weit entfernt wie von abgeklärter Akzeptanz der Langeweile und des Trostlosen. Was mag das heißen? Eskapismus und die Quadratur des Kreises in Form eines freundlichen, optimistischen Noise? Keine Spur, vielmehr der Inbegriff eines punkigen Hedonismus des urban decay, der in der unkontrollierten, sanguinisch eingefärbten Wut eine vitale Archaik aufleben lässt, die weder beschönigend, noch totalitär ist, und an der alle bildungsbürgerlich korrumpierten Behelfsbegriffe wie Katharsis abprallen – eine Urtümlichkeit, die auch in dem naiv-folkigen „Outsider“-Artwork des opulent gestalteten Vinyls durchscheint, und die letztlich auch die Zeit des britischen Anarchopunk in Erinnerung ruft, auf die der Albumtitel sicher nicht ganz zufällig anspielt.

Die beiden Seiten der LP sind für unterschiedliche Geschwindigkeiten konzipiert, man kann sie jedoch auch einfach im Tempo seiner Wahl hören – was bei jeder Umdrehungszahl am meisten beeindruckt ist die brutale Unmittelbarkeit und Direktheit, mit der primitive Beats und ätzende Analogsounds für Momente das Steuer in die Hand nehmen, um es unvermittelt weiterzureichen an gänzlich andere primitive Beats und ätzende Analogsounds. Unvermittelt jeweils auch die spontanen Pitchings, die ungewöhnlichen Soundeinsprengsel und die verzerrten Vocals, die nichts Angespanntes haben, sondern eher noch an die Schreie eines heiligen Narren erinnern.

Das spontane Hantieren mit Soundzitaten erinnert an die besten Seiten des goldenen New Yorker Hip Hop-Zeitalters, deren Widerhall beim Dog Leather-Projekt, dass Pyn zusammen mit dem umtriebigen DJ Dog Dick betreibt, noch deutlicher ist. „Sikknastafari Slash Crasstafari“ ist auf dreihundert Einheiten limitiert und sollte sicher kein Ladenhüter sein – ich wünsche der Platte einen Ehrenplatz in allen Regalen, in denen Crass, Dälek, alte ATR und Wolf Eyes einträchtig und unfriedlich koexistieren.

A. Kaudaht

Label: Hundebiss Records