MACELLERIA MOBILE DI MEZZANOTTE: Hard Boiled Night Club

Selten machen Klischees so großen Spaß wie bei Macelleria Mobile di Mezzanotte, kurz MMM, dem hörspielartigen Musikprojekt des fabulierenden Ganoven Adriano Vincenti. Der Bandname bedeutet „Fleischlieferung um Mitternacht“, und sicher kennt der eine oder andere die Splatternovelle gleichen Namens aus der Feder von Clive Barker, die vor einigen Jahren dann auch verfilmt wurde. Vincentis Musik, die er selbst ganz treffend Crime Jazz oder Swing Noir nennt, schickt den Hörer jedoch gleich noch ein paar Dekaden weiter zurück in die Filmgeschichte – in eine Welt abgedunkelter Hotelzimmer, schäbiger Detektivbüros und verregneter Asphaltstraßen, natürlich in gespenstisches Grau getaucht und mit einem Score unterlegt, der so staubtrocken ist wie die Drinks, die sich Antihelden hinter die Binde kippen, bevor sie ins Gras beißen. Die nächtliche Fleischlieferung scheint eher auf die garantiert nicht harmlose Dame gemünzt, die mit tödlicher Anmut durch einige Songs stöckelt und weitere, noch aufreizendere Lebenszeichen von sich gibt.

Hörspiel, Erzähler – das klingt im Musikbereich immer so ein bisschen nach freundlich, schlau und artsyfartsy, aber auf das schmale Brett kommt bei „Hard Boiled Night Club“ sicher allein schon wegen des Titels keiner. Die Storyline, die hier gelegentlich durch die groovigen Soundscapes und die gedämpften Bläserparts dringt wie durch die Lamellen einer schief hängenden Jalousie, könnte nach Motiven von James Ellroy oder auch Bukowski verfasst sein, durchsetzt mit einigen urbanen Mythen der italienischen Halbwelt. Da ist zum Beispiel die Hommage an das Model Wilma Montesi, dessen Leiche man 1953 in der Nähe von Rom auffand – ihr Fall, in den neben Politikern auch die Schauspielerin Alida Valli („Der dritte Mann“, „Suspiria“) verwickelt war, wurde nie vollends aufgeklärt.

Allgegenwärtig, wenngleich eher im übertragenden Sinne vorhanden, ist eine Stimme, die in einem seltsamen Gefühl irgendwo zwischen trunkenen Selbstmitleid und theatralischer Coolness schwelgt – derangiert und garantiert hochgradig unzuverlässig. Ebenso derangiert die Musik, die im Gegensatz zur kompakten Smoothness etwa von Bohren dilettantisch und fragmentiert wirkt: Ein monotoner Jazzbesen, gerade da zum Einsatz gebracht, wo er nicht perfekt passt. Resignatives Spiel auf einem alten Klimperkasten, bevor sich der Pianist ins Koma gesoffen hat. Der Gesangspart in Form abgründigen Gemurmels, bei dem das Englische auch nicht so wichtig ist. Slapbass im Zeitlupengroove und ein spackiges „Black Rubber Saxophon“, das jede Schöngeisterei, die den verkaterten Phlegmatismus der harten Männer durchbrechen könnte, perfekt umschifft.

Dass die Band ihre Wurzeln im Post-Industrial hat, möchte man fast unterschlagen, schon weil das ganze längst nicht so gothkompatibel ist wie die Songs von Kollege Hellvis, der auf seine Art eine ähnlich nihilistische Sexyness abfeiert – und doch hört man zwischen all dem Groove und all der Angejazztheit auch das heraus. Man mag dabei an die bekannten Kilimanjaro- und Mount Fuji-Ensembles denken, aber meines Erachtens ist dieser existenzialistische Sleaze nach mediterraner Art auch Teil dessen, was einst Novy Svet losgetreten haben, und sei es nur ungewollt mit ein paar Nummern wie „La Razon“ und „Vinkio Due“. Im Vergleich zu den renommierten Denovali-Acts ist die Atmosphäre bei MMM auch eher schwül als kühl.

Soviel auf den letzten Drücker zu einem famosen Album, dessen Nachfolger wohl schon in den Startlöchern steht und hoffentlich ebenso viel Spaß machen wird.

Label: OEC