IN GOWAN RING: The Glinting Spade (Re-Release)

Der amerikanische Folktroubadour B’ee, dessen größte Konstante wohl sein unstetes Wanderleben ist, hat sich in der Vergangenheit nie endgültig zwischen seinen beiden Inkarnationen Birch Book und In Gowan Ring entschieden, beide „Gruppen“ scheinen wohl auf Langzeit nebeneinander zu bestehen. Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Projekte ist viel gesagt worden, auch in unserem Interview mit dem Musiker wurde über die eher amerikanische und zugleich sehr erdverhaftete Grundierung Birch Books und die vergleichsweise europäische, abstrakte und zugleich weltentrückte Ausstrahlung des älteren Projektes In Gowan Ring gesprochen, ebenso über eine Entwicklung, die beides miteinander zu verbinden schien.

Während Konzertankündigungen oft beide Namen aufführen, sind die Veröffentlichungen des Künstlers, auch die irregulären, je nach Stil und Entstehungskontext meist einem der Projekte zugeordnet. Eine seiner ersten Tätigkeiten nach seinem Umzug von Berlin in die Provence ist die Wiederveröffentlichung von „The Glinting Spade“, die soeben in unterschiedlicher Ausführung bei Merlin’s Nose Records erschienen ist. Der Titel „The Glinting Spade“ lässt sich als Hommage an B’ees selbst gebaute Lieblingsgitarre verstehen, die er seinen Spaten nennt. Das Album erschien erstmals 1999 (unter dem Titel „Abend the Knurled Stitch O’er the Glinting Spade“) auf dem Höhepunkt von B’ees World Serpent-Phase. Verglichen mit dem sehr eingängigen Songalbum „Hazle Steps Through A Withered Home“, dessen souveränes Songwriting in mancher Hinsicht bereits auf Birch Book vorausdeutete, ist das vorliegende Werk für B’ees Verhältnisse recht abstrakt und könnte der Soundtrack zu einer surrealen Folkanimation sein. Weite Teile der CD werden von dröhnenden Klangflächen zusammengehalten, die immer wieder neu aus dem Klang eines Blas- oder Saiten-Instruments hervorgehen und dessen jeweilige Gestalt in unterschiedlichen Graden verfremden und in die Länge ziehen – an manchen Stellen sogar bis zur Auflösung jeder Kenntlichkeit. Aus dieser leitmotivischen Abfolge von Drones kristallisieren sich in unregelmäßigen Abständen kleine, filigrane Songgebilde heraus, denen man ohne Kitschgefahr eine märchenhafte Schönheit bescheinigen kann.

„Two Wax Dolls“, der schlichte Auftakt des Albums, lässt mit simplen Gitarrenklängen eine entrückte Atmosphäre entstehen, der etwas Magisch-Heidnisches innewohnt, auch wenn man das aufgrund der introvertierten musikalischen Ausdrucksweise und des einfachen Textes vielleicht nur unterschwellig zur Kenntnis nimmt. Die wenigen beschreibenden Worte, die nur vage an einen religiösen Fetisch anspielen, und der schlafwandlerisch anmutende Gesang geben dem Szenario etwas Geheimnisvolles, das weit eindringlicher ist als jede Fantasy-Schmonzette. „To Thrum on a Glassy Stem“ und „Arrowsmith’s Fire“ muten noch lieblicher an und erscheinen wie Botschaften aus einer fremden, halbwirklichen Welt, die weit mehr ist als romantische Weltflucht. Darüber hinaus gibt es Momente, in denen sich melodische Strukturen und Gesangsansätze direkt in die Dronegestalt einfügen. Das lange, fast medleyartige „Cipher’s String On The Tree In The Dream Of The Queen“ lässt so eine Welt entstehen, die durch den Einsatz von Blasinstrumenten an ein mittelalterliches Setting erinnert.

Im Booklet der Wiederveröffentlichung findet sich ein umfangreicher Text von Jeanette Leech zur Genese des Albums. Leech hatte in Seasons They Change, ihrem Überblick über die Geschichte des Acid und Psychedelic Folk In Gowan Ring, (den leider schon lange nicht mehr existierenden) The Iditarod und (Timothy Renners inzwischen wieder sehr aktiven) Stone Breath ein eigenes Kapitel gewidmet und sie – Jahre vor dem Boom des New Weird America – als Vorreiter einer eigenwilligen psychedelischen Folkmusik verortet, die jenseits von gängigen Konventionen war: „none [of them] was concerned with prevailing trends or the simple revivalism of an earlier sound.“

Man erfährt weiterhin einiges über den (musikalischen, persönlichen, lokalen) Kontext, in dem das Album des rast- und ruhelosen B’ee, des „Wandering Boy“, entstand. B’ee sagt im Gespräch mit Leech ein zentrales Element der einzelnen Stücke sei, dass es es sich um „questing songs“ handele – das Album selbst wurde größtenteils in Toquerville, Utah, einem damals 900-Seelen-Nest, aufgenommen, das er vor Fertigstellung des Albums allerdings schon wieder verlassen hatte. Musikalisch spielte B’ees (universitäre) Beschäftigung mit der Musik der Renaissance eine Rolle und wie so oft nutze er die Musiker, die er gerade vor Ort traf. Die Kirchenorgelpassagen auf „Cipher’s String…“ steuerte seine Mutter bei.

Das neue Artwork sieht psychedelischer als das ursprüngliche aus, setzt das Album somit in eine gewisse (Traditions-)Linie von Musik, die vor etlichen Dekaden entstand. Interessanterweise entstand das Debüt „Love Charms“ ohne Kenntnis von Bands aus den 60ern, wurde B’ee erst durch Rezensenten auf z.B. The Incredible String Band aufmerksam: „It was like being an orphan, and then realising you have a father.“ Bezogen auf den textlichen Gehalt von „To Thrum a Glassy Stem“ sagt B’ee: „It is [about] being in this world, but not of it.“ Dies ist vielleicht eine mehr als angemessene Beschreibung dessen, was man beim (erneuten) Hören dieses Albums (ver)spürt.

(U.S. / M.G.)

Label: Merlins Nose Records