CINDYTALK: A Life Is Everywhere

Nicht wenige Bands der Postpunk-Ära kommen als lebende Tote zurück, zwängen sich in schwarze Klamotten, helfen vielleicht noch mit Kajal nach, um einen Auftritt auf dem jährlich in Leipzig stattfindenden Szenekarneval zu ergattern; Cindytalk gehen schon seit Jahren ihren eigenen (sehr eigenständigen) Weg und haben sich klanglich dabei (wieder einmal) neu erfunden. Die Elektronik, die das letzte verbliebene Mitglied Gordon Sharp seit einigen Jahren passenderweise auf Editions Mego veröffentlicht, lotet aus, was im Spannungsfeld von Mensch und Maschine klanglich alles möglich ist.

 

„Time To Fall“ beginnt mit kristallinen Klängen, die an eine symphonische Version von Tietchens „Mengen“-Stücken denken lassen. Es fräsen sich aber auch fiese Hochtöne und Noiseelemente in den Track. Ab der zweiten Hälfte kommen verrauschte Klangflächen hinzu, die Elektronik klingt wie Meeresrauschen und lässt das Stück dezent ausklingen. „My Drift As A Ghost“ beginnt melodisch, bevor wie Hubschrauberblätter klingende Passagen hinzukommen und der Track sich zu rauschhaftem Noise verdichtet. „To A Dying Star“ wird von keiner pathosgetränkten Atmosphäre durchzogen, eher scheint diese Hommage an einen sterbenden Stern den Kampf der Materie zu illustrieren: Es brummt, die Elektronik klingt wie das Blubbern von Wasser, dann hört man wieder diese kristallinen Klänge, schließlich Stille und Ende. „Interruptum“ klingt subtiler, bestehet aus dunklen, verhallten Geräuschen, knisternder Elektronik, dumpfem Pochen und Melodien, die klingen, als seien sie in einem Eispalast aufgenommen worden. Im Kontext dieses Albums ist das vielleicht das melancholischte Stück. Was hier wie auch auf den anderen Tracks des Albums beeindruckt, ist wie scheinbar disparate Momente inmmer wieder zu einem Ganzen verdichtet werden. „As If We Had Once Been“ ist dagegen unruhiger, hektischer, wird von Perkussion durchzogen und hat passagenweise durchaus Power Electronic-Qualitäten. „On A Pure Plane“, der Abschluss des Albums, scheint noch einmal alles kombinieren und kontrastieren zu wollen: Hier hört man mach Vogelgezwitscher klingende Elektronik, aber auch heftigen Noise, melodische Klangflächen, die aber nie die Oberhand gewinnen (können).

In Verbindung mit den Tracktiteln ist das wirklich (ver)störende Musik, vielleicht so etwas wie eine „Poesie des Verfalls“ und sicher weitaus überzeugender als es die meisten Vertreter der Baritonfraktion je hinbekommen. Es scheint auch, als sollten die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, Natur und Technik aufgelöst, zum Verschwinden gebracht werden.

M.G.

Label: Editions Mego