MY SISTER GRENADINE: Spare Parts

My Sister Grenadine ist eine dieser Bands, die merkwürdige Instrumente benutzt. So würde der aufs Primitivste heruntergebrochene Satz lauten, mit dem man die drei Wahlberliner Angelina Kartsaki, Felix Koch und Vincenz Kokot in eine griffige Schublade einordnen könnte. Das sollte man aber tunlichst unterlassen, und ich erwähne ihn auch nur aus einem Grund: Der zum Teil ungewöhnliche Sound ist weit davon entfernt, eitler Selbstzweck zu sein, verschwindet zum Teil fast hinter dem intelligenten Songwriting und der mitreißenden Stimmung der Songs, und schafft es doch, die Band aus dem gängigen Folk- und Indie-Allerlei herausragen zu lassen. Ist man erst vollends in ihren Sound eingetaucht und steht der bandtypischen Stimmung gegenüber auf Empfang, dann wirken die Ukulele und die Rhythmussektion, zu der bereits Schreibmaschinen und diverse Haushaltsutensilien zählten, kaum noch plakativ ironisch, was ja leider oft Sinn und Zweck solch „weirder“ Klänge ist.

Natürlich haben die drei nichts gegen eine gute Brise Nostalgie einzuwenden. Die verbreitet sich bereis in „Anthem For“, dem schmissigen Opener ihres aktuellen Longplayers, zu dem man am liebsten gleich in entsprechender Garderobe nach 20er Jahre-Art tanzen möchte, vorausgesetzt, man ist nicht geneigt, den ausgesprochen ernst wirkenden Vokalisten zunächst um Erlaubnis zu fragen. Das ganz selbstverständliche Zusammengehen von Ernsthaftigkeit und spielerischer Experimentierfreunde, das ganz ohne Klugscheißerei vonstattengeht, ist eines der Markenzeichen des Trios, ebenso das ausgesprochen gute Händchen für Melodien mit Ohrwurm-Potential. Beispiele dafür finden sich im A Capella „Birdwatcher’s Wife“ oder im Vorzeigesong „Rickety Rackety“, bei dem musikalisch einfach alles stimmt. Man sollte hier aber den von allerlei alltäglichen Tragikomödien kündenden Text nicht überhören, bei dem man ganz nebenbei auch erfährt, dass der berüchtigte T-Rex in Wirklichkeit Vegetarier war. Interessant ist, dass man die ganze Zeit mit einem Kippen des Sängers in Falsett rechnet, der aber ausbleibt. Wenn es doch mal passiert, sind Tiny Tim-Assoziationen bei dem Instrumentarium natürlich unvermeidlich. Subtile Ironie, präsentiert mit betonter Beiläufigkeit, findet sich auch in „Modern Art“, das Selbstverständlichkeiten einer von Konsum geprägten Welt herausfordert und doch jede platte Eindeutigkeit umschifft. Die würde auch nicht zu dem jede biederfolkige Betulichkeit brechenden Kratzen und Quietschen passen, das das Album in zuverlässiger Regelmäßigkeit alle paar Minuten heimsucht. Ein Kollege bei einem bekannten Printmagazin wollte darin nur Niedlichkeit (übrigens ein blöder Begriff, wie ich finde…) erkennen, der subtile Biss blieb ihm anscheinend verborgen.

Wer sich also vom gängigen Folk- und Indie-Allerlei nicht um den Genuss interessanter Akustikbands bringen lässt und die Lobeshymnen des Rolling Stone bislang überhört hat, der sollte sich den Tipp zu Herzen nehmen und sich auf die Suche nach „Spare Parts“ begeben. Auch Live lohnt das Trio, das dann oft im Doppelpack mit dem stummen Schwimmer Guy Dale zu sehen ist.

A. Kaudaht

Label: Solaris Empire