STEPMOTHER: Calvary Greetings

Vor zehn Jahren, als es Cabaretbands mit Vintagefimmel bis in die Feuilletons geschaft hatten und alle Zeichen auf Weird und Lowbrow standen, hätte man Stepmothers „Calvary Greetings“ glatt für ein hippes Retroding halten können – das wäre dann Alfred Bohlands Schuld gewesen, der das Cover der Platte nebst Booklet mit hundert Jahre alten Kuriositäten in Schwarzweiß und Sepia geschmückt hat. Eine kurze Hörprobe reicht, um festzustellen, dass nostalgischen Erwartungen hier mit einer saftigen Ohrfeige quittiert werden.

Laut Labels ist Stepmother die Reunion einer Eighties-Kapelle, die nie existiert hat, was auf recht einfache Art den merkwürdigen Nichtort umreißt, den das amerikanisch-englisch-niederländische Quartett wie einen Irrgarten hegt und pflegt. Verläuft man sich darin, entpuppt er sich als abstruse Wunderkammer des Dada-Rock’n'Roll – Zappa grummelt Morbides zu Klarinettengeleier und sperringen Surfgitarren, die Tiger Lillies tanzen zu Ska und töten mal wieder Gott mit einem Stilettoabsatz, The Long Decline schwofen zur Melodie einer kitschigen Jahrmarktsorgel und Monthy Python gewinnen den Weltkrieg einmal mehr durchs Erzählen des tödlichen Witzes, und zur Feier spielt eine Bigband auf, deren Leader die Residents liebt.

Leicht vergisst man, dass all dies Lug und Trug ist, dass nur ein paar Zauberer namens Bill Gilonis, Lukas Simonis, Jeroen Visser und David Kerman alles aus ihrem viktorianischen Zylinderhut ziehen, was die Populärkultur so an sperrigen und zugleich unverhipsterbaren Stilblüten zu bieten hatte. Was dabei für manche wie Kraut und Rüben klingen mag, ist die Frucht langer Musikerlaufbahnen, denn die vier sind altgedient, ihre Diskographien üppig und ihre Wege kreuzten sich mit interessanten Kollegen wie Henry Cow, Soft Machine und anderen.

Alles Dada? Schwer zu sagen, wenn man den bitterbösen Texten zuhört, die von Fuckfriends erzählen und Inzeßtgeschichten als Slapstick verbraten, aber auch um politische Satire keinen Bogen machen. „Innocents have governments/it doesn’t really trouble me/to kill those/so-called innocent bystanders/Bomb them/into the Stone Age/Bomb them/into the Stone Age“ heißt es im finalen „Sinkhole“. Mögen alle, die sich darin wiedererkennen, von ihrer eigenen Schamesröte dahingerafft werden.

Label: Megaphone/Knock’em Dead