DAWN MCCARTHY: Traveller Returning

Man muss das Wort “Nabelschau” nicht mögen, aber ein Blick zurück auf die eigenen Anfänge ist für viele Musiker interessant. Welche Unsicherheiten konnte man mit der Zeit überwinden, welche ganz persönlichen Elemente gingen andererseits mit zunehmender Erfahrung verloren? Wie lassen sie sich wiederfinden? Wann und wie entstand eine eigene Handschrift, eine eigene Stimme, die von einem bestimmten Moment an untrennbar mit einem musikalischen Werk verbunden bleiben sollte? Dawn McCarthy, die seit ihrem Album mit Bonnie Prince Billy ihre Fangemeinde um ein gutes Stück vergrößern konnte, hat vor der Gründung ihrer Band Faun Fables ein paar Jahre lang solo gespielt, eine ganze Reihe an Homerecordings aufgenommen und hier und da Konzerte gegeben. Viele Songs und Ideen aus dieser Zeit lebten später im Repertoire der Faun Fables weiter, doch die simple Unschuld der Originale ist es wert, dokumentiert zu werden, und einige hält sie selbst für die besten und ehrlichsten Versionen. Jetzt schien ihr die Zeit reif, eine Auswahl dieser Aufnahmen aus den Jahren 1997-2000 auf einem Tape zugänglich zu machen.

Auf gewisse Weise ist das in London aufgenommene “Old Village Churchyard” der prototypische Faun Fables-Song, die immer etwas schneidende Stimme der Sängerin, die auch optisch zu burschikos ist, um das Klischee der Folkelfe zu erfüllen, greint hier besonders schrill, der schunkelige Takt der Zupfgitarre und die verrauschte Aufnahme lassen verbotene Wörter wie “ursprünglich” und “authentisch” assoziieren. Auch in den Anfangstagen war die Schrägheit kein Hindernis für ernsthafte Inhalte wie hier der Trauer um die Eltern und die Wehmut schöner Erinnerungen an die Kindheit. In einigen der frühen Songs tremoliert und leiert sie wie eine schrillere Josephine Foster, in “Hela” versteht man kaum den Text, und gegen Ende gibt es die plötzlichen ekstatischen Schreie, die man aus dem beliebten “Sleepwalker” her kennt. Einige werden es Katzengejammer nennen.

Den Homerecordings sind einige Konzertmitschnitte an die Seite gestellt, das bekannte Traditional “House Carpenter”, das später auf “The Transit Rider” neu erschien, bildet den musikalischen Höhepunkt. “Ode to Rejection” mit seiner mitreißenden Melodie zu dem holprigen Walzertakt klingt fast wahnhaft aggressiv, und stellenweise könnte man es glatt für eine bluesige Folkaufnahme aus den frühen Tagen der Aufnahmetechnik halten. Ansonsten kann man nur vermuten, dass die Liveshows schon damals mit Verkleindungen und vielen Performance-Einlagen schon sehr unterhaltsam gewesen sind. Die Stücke der zweiten Seite wurden in Portland, Oregon, zusammen mit B’ee (In Gowan Ring, Birch Book) aufgenommen und haben trotz lofi eine relativ gute Klangqualität. Die Traditionals “Bliss” und “Only a Miner” wurden später für die Compilation “Early Song” neu aufgenommen.

Das Tape erscheint in angemessener Limitierung und richtet sich auch kaum an den durchschnittleichen Folkfan, der auf der Suche nach einem weiteren schönen Songalbum ist. Fans der Faun Fables jedoch, die das Tape als eine Art Geschichtsstunde betrachten, werden darauf jedoch den einen oder anderen Schatz finden. (A.Kaudaht)

Label: Drag City