SWANS: White Light from the Mouth of Infinity & Love of Life

Es ist nicht leicht, etwas allgemein Einführendes zu den Swans zu sagen, ohne dabei Gemeinpläze zu bedienen. Ich schlage folgende Behauptung vor: Swans ist eine Band, die nicht jedem angeraten ist, ein unerfahrenes Sensibelchen mit Hang zu starker Identifikation könnte – weniger durch die Wucht der Musik als vielmehr durch den oft doppenbödigen, aber stets kompromisslosen Sarkasmus in Michael Giras Worten – fatal in Mitleidenschaft gezogen werden, psychisch wie physisch, und das gilt für alle Werkphasen der amerikanischen Band, die seit den Anfängen im No Wave und Power Rock der frühen 80er einige Wandlungen durchlaufen hat. Leidensfähigkeit sollte vorhanden sein und der eine oder andere Groschen über den Rite de Passage-Charakter dieser Musik muss gefallen sein, um durch die Swans im besten Fall sogar so etwas wie Heilung zu erfahren.

Die beiden Alben „White Light from the Mouth of Infinity“ und „Love of Life“, die in Kürze in einer Vinyl- bzw. CD-Box wieder käuflich zu erwerben sind, erschienen zu Beginn der 90er und leiteten die letzte Phase vor der einige Jahr später vollzogenen – und letztlich vorübergehenden – Trennung der Band ein, eine Phase, die von der Hinwendung zu mehr Melodik und zu einem Mix aus rauen, atonalen Elementen mit einer Vielzahl an klassischen und traditionellen Instrumental-Beiträgen geprägt war, und die im monumentalen „Soundtracks for the Blind“ ihren Abschluss fand.

Natürlich erfolgte diese Hinwendung nicht über Nacht und hatte einen langen Vorlauf, und man würde die Geschichte der Band nicht derart periodisieren, wenn die Entwicklung linearer und gradueller verlaufen wäre. Schon auf Alben der späten 80er wie dem berühmten „Children of God“ gab es die melodischen, leicht folkig angehauchten Elemente, diesen Touch von Weltmusik und Americana sowie den abmildernden Gegenpart von Sängerin Jarboe zur Strenge Giras. Die Geschichte der Band wollte es jedoch, dass dazwischen das rückblickend gerne stiefmütterlich kommentierte „This Burning World“-Album erschienen ist, auf dem diese Elemente nicht nur weitergeführt, sondern in ein für die Verhältnisse besonders der damaligen Swans recht glattes Gewand gepackt wurden.

Will man fair sein, muss man eingestehen, dass dieses unter der Produzentenhand Bill Lasswells entstandene einzige Major-Release der Band kein ganz so katastrophaler Reinfall war, aus heutiger Sicht erscheint es wie eine von vielen Facetten der Band, die ein Stück Erfahrung bereit hielt und den Bandmitgliedern nicht zuletzt auch deshalb so enttäuschend erschien, weil die neuen Aspekte von außen oktroyiert waren. Was dieses Werk, dessen vom Label erhoffter Erfolg ausblieb, allerdings bewirkte, war die Motivation, in der Folge wieder kompromisslos das eigene Ding durchzuziehen, und diese Entschiedenheit ist in jeder Sekunde von „White Light from the Mouth of Infinity“ und „Love of Life“ zu spüren.

Was die stilistische Schwerpunktsetzung betrifft, so führt „White Light From The Mouth Of Infinity“ tatsächlich viele Elemente von „This Burning World“ weiter, was schon deshalb nicht Wunder nimmt, da sich das Line-up der Gastmusiker durchaus überschneidet. Doch die Mischung aus schleppenden Gitarren und sakral klingenden Mandolinen, aus markantem Sprechgesang und anrührenden „Jazz“-Balladen, aus düsterer Americana, hybrider Folkmusik und der zermalmenden Monotonie einer monumentalen Drumsection gestaltet sich hier um einiges rauer und sperriger.

Das Baby zu Beginn des eröffnenden „Better Than You“ greint keineswegs auf enervierende Art, sondern lässt eine friendvolle Stimmung entstehen, die sich filmreif durch infernalische Trommelwirbel und die sägende Gitarren zermalmen lässt – willkommen in einer dunklen Welt, die stets durch ein undefinierbares Glühen erhellt wird, bei dem man sich fragt, ob es sich wirklich nur den klingelnden Mandolinen und Jarboes entrückten Backing vocals verdankt, oder doch das Resultat subtilerer Stimmungsmomente ist. Giras hallunterlegte Stimme nach 80er-Jahre-Art transportiert auch hier das unprätentiös Höhnische, das ihn so unerbittlich wirken lässt, und doch eine Kraft entfaltet, bei der ich dem Kollegen bei Allmusic nur zustimmen kann: „At once incredibly destructive and astoundingly life-affirming.“

In ähnlich gearteten Stücken wie „Power and Sacrifice“, „Love Will Safe You“, „Will We Survive?“ und „Failure“ entfalten sich apokalyptische, teilweise beinahe postindustirelle Szenarien, oder man findet sich mit galoppierendem Strumming und einer pittoresken Klapperschlange in einem nächtlichen Western-Setting wieder, gelegentlich weist die Mischung aus schleppender rhythmischer Monotonie und aufwühlender Melodik der Instrumente auf Giras Phase mit den Angels of Light und auf den Beginn der aktuellen Swans-Phase hin, und bisweilen wird jede Dynamik derart reduziert, dass man die Band förmlich durch eine Mondlanschat kriechen sieht. „Pushing the stone on the hill of failure“, wie es Gira, den Sisyphos spielend, ganz treffend ausdrückt.

Zu dem Mit- und bisweilen Gegeneinander von Jarboe und Gira wurde viel gesagt, und man muss die beiden sicher nicht zu Wiedergängern von Nancy und Lee oder Birkin und Gainsbourg stilisieren, doch es gibt Stücke wie „You Know Nothing“, in denen Jarboe einen aus der von Gira induzierten Wut herauszuholen versteht. Ein besonderer Torchsong ist dann das von Jarboe alleine gesungene „Song for Dead Time“, das mit betulichem Picking, collen Twangs und einem unnachahmlichen Tremolo in der Stimme die schwüle Stimmung eines ganzen schwarzen Films zu evozieren weiß.

Eines der auffälligsten Merkmale von „Love of Life“ ist die neue Hinwendung zu den abstrakteren Elementen, die nicht nur auf „This Burning World“, sondern auch auf „White Light“ wenig Raum hatten, was natürlich primär in den von Spoken Words, Instrumentensoli, Loops und Samples geprägten Interludien spürbar ist, die das Album in verschiedene Abschnitte unterteilen. Der songorientierte Hauptteil des Albums knüpft an den Vorgänger an und gibt sich vom Klang her meist fülliger, von der Struktur dagegen oft etwas reduzierter und primitivistischer. Nach dem Drumgefledder des Titeltracks bildet das mystisch angehauchte „The Golden Boy That Was Swallowed by the Sea“ den nächsten Höhepunkt, bei dem Gira in einem Tonfall, der müde und entschlosen zugleich anmutet, seinen Dämonen den Krieg ansagt.

Neben Stakkato-Nummern wie „Amnesia“, dem vor Sarkasmus nur so triefenden bitter politischen „God Loves America“ und einer Reihe an Songs, die an etwas feierlichere Wiedergänger alter Velvets-Stücke erinnern, gibt es auch hier wieder ein von Schrammeln und Bläserparts getragenes Duett in Gestalt des rauschhaften „The Other Side of the World“. Zu dem wellenartigen Dröhnen der Gitarren in „She Cries (for Spider)“ singt Jarboe wie traumversunken ihre eigenen Lyrics.

Für den Rezensenten fällt „Love of Life“ immer ein wenig hinter „White Light“ zurück, was natürlich eine persönliche Wertung darstellt und eine Wertschätzung der stilistischen und stimmungsmäßigen Weite zum Ausruck bringt, die das frühere Album vom immer etwas monotoneren und eindimensionaleren Folgewerk unterschiedet. Die Band oder zumindest Gira hatten für die beiden Longplayer nicht immer gute Worte übrig, erschienen Teile davon doch schon einmal unter dem Titel „Various Failures“. Die bald bei Young Gods und Mute erscheinende Box mit zwei LPs, einer CD mit Outtakes sowie neuem Atwork, die auch als reine CD-Veröffentlichung erhältlich sein wird, scheint zu implizieren, dass man mittlerweile seinen Frieden mit den Erzeugnissen dieser Zeit gemacht hat.

Laut Gira soll im Frühjahr das letzte Studioalbum der „aktuellen Inkarnation der Swans“ erscheinen. Selbstredend darf man darauf ebenso gespannt sein wie auf die nächste Inkarnation, zu der es hoffentlich bald Gerüchte geben wird. (U.S.)

Label: Mute / Young Gods