400 PPM: Just In Time

Shawn O‘ Sullivan, der u.a. mit Led Er Est, einem Trio aus New York, eine Musik spielt, die ihre Inspiration ganz sicher aus dem Wave der 80er zieht und mit ihnen auf einer Reihe von Alben die Möglichkeiten melancholischer Musik ausgelotet hat, debütierte 2013 mit einer EP unter dem Namen 400 PPM, auf dem er einen reduzierten Techno spielte, der musikalisch scheinbar weit entfernt von Led Er Est war, was aber nicht verwunderte, hat O‘ Sullivan seine Wurzeln doch im Techno.

Seine neue EP knüpft an den Vorgänger an: Das siebenminütige „Lender of Last Resort“ ist eine karge, straighte Nummer, die Beats sind bar von Verzerrungen. Was das Stück auszeichnet, ist, wie O‘ Sullivan im Hintergrund seltsame Geräusche einsetzt, mit denen das Stück dann auch ausklingt, nachdem der Beat verstummt ist, und die den Eindruck erwecken, als würden die Maschinen stöhnen. „Resource Extraction“ kombiniert einen brummenden Drone mit stotternden Beats, „Everyday Extinction“ beginnt mit Noise, bevor der monotone Beat einsetzt, der von industriell klingenden Sounds untermalt wird, „Chorleywood Bread“ (einen letztlich industriellen Brotzubereitungsprozess bezeichnend) ist die vielleicht am wenigsten kalte Nummer.

Natürlich ist das Musik, zu der getanzt werden kann und vermutlich auch soll, aber letztlich ist diese Musik was Atmosphäre und Haltung anbelangt, näher am Industrial als all das, das sich in manchen Gothenklubs unter diesem Label auf der Playlist findet. Das ist eine Maschinenmusik, deren evozierte Stimmung vielleicht das widerspiegeln soll, was der Mensch als einzig wahrer Demiurgos anrichtet. Durch Projekttitel (der darauf verweist, dass erstmalig der Kohlendioxidlevel in der Atmosphäre 400 Teile pro Million erreicht hat) und Tracknamen spielt O’ Sullivaner nämlich auf die Grenzen einer auf Wachstum und (exzessiven) Konsum ausgerichteten Gesellschaft an, auf die Hybris einer Gattung, der manche nur mit anthropofugalem Denken glauben beikommen zu können. (M.G.)

Label: Avian