FATIMA AL QADIRI: Brute

Mit einem ordinären Hype hat die stetig wachsende Anerkennung Fatima al Qadiris als Producer wenig zu tun, denn selbst wenn sich die Stylerfraktion der elektronischen Musik zu Wort meldet, ist nie ausschließlich von ihrer Originalität die Rede, sondern ebenso sehr von ihrem Talent für stimmige inhaltliche Konzepte, die immer eine politische Dimension haben und stets über subtile Andeutungen ästhetisch umgesetzt werden. Dabei wird keineswegs mit Lob für ihr handwerkliches Können gespart. Zurecht, muss man ergänzen.

Dass China in der Projektion eines modernen, jugendlichen Exotismus ein interessantes Faszinosum darstellt und zugleich den verbreiteten Hang zu Alterisierung bloslegt, demonstrierte sie in ihrem Album „Asiatisch” in einem recht knapp umrissen Soundkonzept, welches pseudotraditionelle Klischees im Handumdrehen mit der Musik von Computerspielen kombinierte. Mit der Band Future Brown arbeitete sie fernab ihrer gewohnten Stringenz und kombinierte die Einflüsse diverser elektronischen Genres aus mehreren Kontinenten zu einem opulenten Stück Transkulturalität.

Auf ihrem gerade erschienen Album „Brute” kehrt sie wieder zu ihrer monothematischen Konzeptualität zurück und widmet sich einem nicht primär ästhetischen Phänomen, nämlich dem Thema Polizeigewalt in all seinen Verknüpfungen zu Faktoren wie race, class und gender. Wie setzt man so etwas nun um in einer Musik, die der Sprache einen relativ geringen Raum überlässt? Man darf vorwegnehmen, dass al Qadiri dem Rezipienten einiges an Interpretationsspielraum überlässt, denn die wenigen inhaltlichen Hinweise neben den Angaben des Labels beschränken sich auf das Cover, das eine beliebte Trickfigur in Uniform zeigt, auf den Titel und insgesamt drei Samples, in denen (vermutlich amerikanische) Reporter über Zusammenstöße zwischen der Polizei und Demonstranten auf jüngeren Protestaktionen berichten.

Der Rest, und das ist nicht wenig, ist eine Musik, die all dies atmosphärisch eindrücklich auszuschmücken und zu kommentieren weiß. Bis auf gehauchte Chorsamples ist die Musik rein instrumental gehalten. Von übersichtlicher Struktur und einer sauberen, plastischen Produktion schwankt die Musik zwischen retrolastigen Ambientklängen und rhythmischer Electronica leicht aggressiver Gangart, die stellenweise geradezu nach einem schmissigen MC schreit, der seine düstere Message über die Schattenseiten einer aus den Fugen geratenen Autorität kundtut, doch hier leisten die von unerreichbarem Trost kündenden Frauenstimmen und die bedeutungsschwer hallenden Soundscapes mehr, und egal in welchem Tempo die Musik daherkommt, sie ist durchgehend hochemotional.

Ähnlich wie in „Asiatisch” baut Al Qadiri auch hier traditionell klingende Elemente ein, die den futuristischen Grundtenor nur unterstreichen und nicht weiter entfernt sein könnten von Nostalgie und exotisierendem Fernweh. Hier entfalten sie allerdings eine weitaus vagere, rein gefühlsmäßige Semantik. Hier und da klingt eine verwehte Mandoline an und verbindet sich wie selbstverständlich mit einer technoiden Soundfläche, und einige Stücke erinnern – trotz handclaps, Propellern und berstendem Glas – mehr als nur entfernt an Soundtracks bluttriefender Sandalenschinken oder mittelalterlicher Hollywood-Romanzen. Ohnehin fühlt man sich durchgehend in einen Blockbuster versetzt, in dem Bilder von eskalierenden Protestkundgebungen vorbeiziehen, wie sie gegen Ende ein gesampleter Reporter evoziert: Kravallmacher mischen eine bislang friedliche Demonstration auf und verwandeln diese in kurzer Zeit in eine Orgie der Gewalt. Die Unruhestifter sind schwer bewaffnet und tragen Uniformen mit Abzeichen…

Der Kommentar, den die Musik dazu abgibt, lässt diese Bilder wie die ferne Erinnerung an eine fremdartige Welt erscheinen, eingehüllt in eine dunkel getönte, in Tränen getränkte Wehmut. Doch gerade diese Ambiguität aus Emotionalität und Distanz lässt die Aktualität des Stoffes umso deutlicher aufscheinen. (U.S.)

Label: Hyperdub