RUSALNAIA: Time Takes Away

Als nach dem Debüt von Sharron Kraus’ und Gillian Chadwicks Rusalnaia-Projekt zunächst keine weiteren Lebenszeichen mehr kamen, neigte man zunächst mal dazu, das ganze als eine einmalige Sache abzutun, hatten die beiden Folksängerinnen mit ihren eigenen Solo- und Bandprojekten doch genug zu tun. Als der Erstling jedoch vor ein paar Monaten neu herauskam, war zum ersten mal von einem Nachfolger die Rede, der nun seit einigen Wochen in den Regalen steht.

„Time Takes Away“ verknüpft erneut den Stil und die unterschiedlichen Stärken der beiden Musikerinnen, die hier von einer Handvoll Instrumentalisten begleitet werden, und der Titel und das Coverartwork legen bereits nahe, dass es ein Album über die Zeit und die Kontingenz alles Bestehenden ist. Rein textlich macht sich dies aber erst nach und nach bemerkbar, denn viel mehr noch geht es in den Songs um die Liebe.

Das eröffnende „Cast a Spell“ lässt unter rituell-repetitiven Folkklängen einen klassischen Liebeszauber entstehen und macht zugleich deutlich, dass man auf diesem Album keine simplen Lovesongs erwarten darf – was hier evoziert wird, ist von einer gewaltsamen Wucht, die gezielt auf den Willen zweier Menschen einwirkt, und die verzweifelte Note, die dem ganzen innewohnt, ist durchgehend spürbar. Unerbittlich ist der Lauf der Dinge, und es gehört eine obsessive Entschlossenheit dazu, sich dem in den Weg zu stellen. Im eruptiven Höhepunkt aus Geschrei und wildem Rocksound ist dann jeder Zweifel beiseite geschoben.

Nach diesem rituellen Einstand sind die Sinne bestens geschärft für Rusalnaias Panorama der Liebe im Zeichen der Zeit. In den meisten Stücken wird deutlich, wie sehr diese an der Verbundenheit nagt und letztlich auch den Sieg davon trägt, und doch ist viel Raum für in Tragik getränkte Schönheit, wenn man ihr für Momente zu trotzen vermag. „Take me Back“ brandmarkt das Scheitern der Liebe als Schwäche und endet, gleichwohl ein Apell, im nebulösen Fadeout. Das Duett „The Love I Want“ zeichnet das Bild einer begehrten Person im Steeleye Span-Sound, „Driving“ zeichnet die Liebe als stetige Zu- und Wegbewegung und macht sie so zu einem Ort zwischen den Orten.

Rusalnaia stimmen jedoch kein Lamento an, und das gar nicht so wehmütige „Honeymoon“ bricht die Lanze für eine reife Abgeklärtheit als Antidot zu Regression und Resignation. Wenn in „Lullaby for a Future Generation“ ein trostreicher Abgesang auf den Trennungsschmerz folgt, so geschieht das mit einem Blick nach vorn, und so entpuppt sich das Stück geradezu als Loblied auf die Zeit. „Time Takes Away“ ist auch keineswegs eine wehmütige Nostalgieplatte und musikalisch noch eine Spur dynamischer als das Debüt. In einem oftmals folkrockigen Gewandt und den gelegentlichen fuzzigen Eruptionen ist es teilweise nah an Chadwicks Band Ex-Reverie und alles in allem eine recht schmissige Sache (A. Kaudaht)

Label: Cambrian Records