MUTE SWIMMER: Air Itself

Es sind Fragen, die vermutlich so alt sind, wie die menschliche Kreativität: Wer oder was ist eigentlich die treibende Kraft hinter einer künstlerischen Aussage? Wer spricht, wenn man den Worten eines Songs zuhört? Gibt es da ein souveränes Ich, das allein über den Aussagegehalt entscheidet, oder sind es andere Faktoren wie z.B. das Umfeld des Künstlers oder die typischen Themen seiner Zeit? Freilich ziehen solche Fragen immer wieder auch die Schwätzer an, weil man mit ihnen so schön abstrakt und hochtrabend klingen kann, und am unangenehmsten sind damit vielleicht deutsche Trittbrettfahrer französischer Theoretiker aufgefallen, die seit den 90ern so manche Uni-Fakultät zu einem Ort der Langeweile gemacht hatten. Dem zum Trotz sind solche Fragen aber nicht zwingend unwichtig oder uninteressant.

Guy Dale, der vor einiger Zeit sein anfangs noch rein akustisches Soloprojekt Mute Swimmer in eine mehrköpfige, elektrifizierte Band verwandelt hat, geht in seinen Texten immer wieder solchen Fragen nach, fragt in seinen Songlyrics nach deren eigener Entstehung und dem Status des Sängers als Aussagesubjekt. Ohne dabei schüchtern zu klingen, scheint er diesem keinen übergeordneten Wert beizumessen, und der Satz „I’m not the singer of this song“, mit dem er neuerdings seine Konzerte eröffnet, fasst all dies sloganhaft zusammen. In seinem neuen Album geht es im vor allem um die Stimme, die als Teil eines (quasi organischen) Zusammenhangs mit dem Klang der (anderen) Instrumente verschmilzt und materiell sehr viel mit dem zu tun hat, was dem Album seinen Titel gibt: „Air Itself“. Zugleich ist auch der Sänger als Person niemand Herausstechendes, sondern, wie es in einem Song heißt, „One of Us“.

Wie um all dies zu untermauern, tritt der Gesang, der nicht immer so wohlig klingt wie in früheren Aufnahmen, sondern ab und an hochtönt, gedoppelt anmutet oder wie das Lamentieren eines Koboldes klingt, hinter die anderen Komponenten zurück, die Mute Swimmer von seiner (oder besser: ihrer) bislang rauesten und am wenigsten songhaften Seite zeigen. Zwar gibt es einzelne Momente des vertrauten, folkigen Wohlklangs, „Reckoning“ und v.a. „Stone“ sind berührende repetitive Akustiknummern, und das Zusammenspiel aus Gitarre, Gesang und singender Säge zählt zu den stärksten Momenten der Platte. Das Gros der Stücke jedoch ist von einer evokativ-dröhnenden Gestalt, lässt kratzende, rumorende Noise(rock)-Schichten auf tastende Takte, an die Substanz gehende Violinparts und hörspielartige Sprachfetzen treffen.

Dales Stimme geht immer wieder fast vollständig darin auf und bewahrt sich so vor jedem exponierten Songwriter-Klischee. Allerdings ebenso sehr vor dem eigenen Verschwinden, das immer mal wieder vage anklingt: in der Stummheit, auf die der Bandname verweist, in dem kleinen Rest geschriebener Sprache, der auf dem Albumcover fast über den Bildrand gedrängt wird, und natürlich immer wieder in den Texten auf „Air Itself“. (U.S.)

Label: Truco Espárrago