V.A.: Dendronephthya – Shaking the Boughs of the Family Tree

Wenn ein Label mehr ist als bloß eine Plattenfirma, hat es im besten Fall etwas von einer Familie, in der die einzelnen Mitglieder untereinander verbandelt sind und immer wieder neue gemeinsame Unternehmungen aushecken. Das in Kopenhagen ansässige Label Dendron Records aus dem Umfeld der Band Own Road ist so ein Fall, und zur Feier ihres fünfjährigen Bestehen haben sich die Dänen etwas Nettes einfallen lassen: Jeder Künstler nimmt sich einen Song eines anderen Label-Acts vor und interpretiert diesen in seinem eigenen Stil, und dies immer mit der Absicht, das bestmögliche Gleichgewicht an Einfühlung und Eigenwilligkeit walten zu lassen. Da die Bandbreite von folkig angehauchten Akustiksongs über Drone und Improv bis hin zu schrägem Pop reicht, kommen dabei ein paar gewagte Überraschungen zustande.

Gerahmt wird der Reigen aus zehn Songs von Hugh Atkinson alias Taiga Taiga, der mit seinem lakonisch betitelten „First“ und „Last Track“ ein Stück des wohl aus Belgien stammenden Experimentalisten DreamCamERA in ein folkig-ambientes Gewandt aus sanftem Fingerpicking und leichten Verzerrungen packt, das am Ende mit schweren, fast doomigen Gitarren ausklingt. DreamCamERA selbst bürstet die etwas poppigeren Tidebound gegen den Strich, letztere präsentieren eine tremolierende Prog Folk-Version eines dystopischen Tracks von Broken Birdie. Diese wiederum machen eine Gitarren- und Electronica-Nummer aus einem Stück der Improvisateure von Bird Seance. Und so dreht sich der Kreis weiter.

Besonders interessant wird es dann, wenn Musiker mit weit auseinanderliegender Ästhetik aufeinander Bezug nehmen. Von Mute Swimmers melancholischem Akustik-Song „Different Name“ z.B. sind nur noch Spuren übrig, nachdem Bird Seance eine von Glühen durchzogene, basslastige Dronelandschaft daraus gemacht haben. Mute Swimmer selbst verwandelt „Wild Nothing“, eine schöne, folkige Utopie des Erlöschens von Moongazing Hare v.a. atmosphärisch, indem er der simplen Genügsamkeit des Songs noch mehr Gewicht verleiht. Folkig bleibt es auch, wenn Moongazing Hare mit Spoken Words und evokativen Akkorden einen schwermütigen Own Road-Song interpretiert. Diese verwandeln einen Track von Phillip Bückle über die Sehnsucht der Zugvögel in eine liebliche Ballade mit sanften Pianotupfern. Mit Bückle selbst und seiner Taiga Taiga-Interpretation schließt sich der Kreis zum Auf- und Ab einer Jahrmarktsorgel und enervierendem Gekratze.

Eine Coverversion ist immer zweierlei, nämlich zum einen eine Arbeit am Original, die im besten Fall dessen versteckt Seiten nach vorn kehrt und zugleich einen „dokumentierenden“ Zug hat, zum anderen schlicht ein eigenständiger Song, der unabhängig vom Original überzeugen sollte. Die Compilation zeigt ganz gut, dass es für eine gelungene Neuinterpretation nicht wichtig ist, ob die Stile und Herangehensweisen der Musiker verwandt oder eher verschieden sind – Tidebound haben für das ziemlich anders gelagerte Broken Birdie-Stück ein ebenso glückliches Händchen wie Mute Swimmer für die relativ ähnlich arbeitenden Moongazing Hare oder diese für Own Road. Was die Versionen als eigenständige Songs angeht, offenbart Dendron Records hier eine respektable Qualität, die Anlass genug sein sollte, sich intensiver mit den Musikern des Labels zu befassen. (U.S.)

Label: Dendron Records