ROBERT HAIGH: Creatures of the Deep

Die letzten Jahre über hat sich der britische Komponist Robert Haigh immer mehr sein eigenes Terrain pianobasierter Ambientmusik erspielt, gleichwohl seine ersten Versuche in der Richtung, die beim Japanischen Siren-Label erschienen sind, von älteren Semestern noch als Abstecher abgetan wurden, denn die kannten noch seine harscheren Elektronik- und Noise-Arbeiten unter den Pseudonymen SEMA und Omni Trio, sowie natürlich seine Teilnahme an legendären Murray Fontana Orchestra. Mit „Creatures of the Deep“ legt Haigh sein bisher ausgereiftestes Werk vor in einem musikalischen Terrain, das vom Label als Grenzbereich zwischen den Welten Harold Budds und Erik Saties bezeichnet wird.

Das Meer und die mysteriösen Kreaturen, die seine Tiefen bewohnen, gelten seit jeher als Symbole für die Geheimnisse des Unbewussten, aber auch für die damit verbundenen Gefahren: In ihrer Unbeschreiblichkeit kann die Tiefe ein Ort des Scheiterns sein, in jedem Fall ist sie ein Ort der Bewährung. In den simplen mollastigen Melodien seiner kristallklaren Klavierminiaturen, die nur hier und da in dezente Elektronik gehüllt werden, in der melancholischen, aber jedem sentimentalen Schmonzettengeist abholden Stimmung scheint all dies deutlich anzuklingen. Und die Tiefe des Meeres fungiert tatsächlich primär als imaginäre Symbolwelt, denn nur zwei der Songtitel – „Secret Life of Waves“ und „Winter Ships“ – knüpfen vage an die maritime Bildlichkeit an.

Mit „Portrait With Shadow“ bekommt das Album einen in seiner Einfachheit anrührenden Auftakt, doch schon in der dezenten Verspieltheit des Klaviersolos offenbart sich ein Zug, der weit entfernt ist von jedem emotionalen Kommentar und die Offenheit einer nur manchmal ins Staunen geratenden Frage besitzt, eine Genügsamkeit, die keine noch so anrührende Melodie durcheinanderzubringen vermag. Lässt man sich auf diesen meditativen Grundcharakter ein, dann offenbaren die Miniaturen mit der Zeit einen beachtlichen Ereignisreichtum: Mal ist das Piano eingepackt in sanftes Ambientrauschen, dem wie in „Koto Line“ griechisch anmutendes Saitenspiel begegnet, mal lässt es, wie in „Birds of Cadence“ nur ein paar Tupfer auf mitreisende elektronische Orchesralsounds fallen, mal lässt es sich, wie in „Secret Life of Waves“, ganz passiv von sanften Wellen hinwegtragen, oder es gibt sich wie in „Autumn Fool“ so ungreifbar wie ein flüchtiger Traum.

Es gibt einzelne Momente, wo die ambiente Struktur und auch das Klavier für Momente verschwinden – in „I Remember Phaedra“ tritt all dies kurzzeitig hinter raue rotierende Noiseloops zurück), doch die ungekünstelte, immer von einem Hauch an Neugier durchdrungene Grundstimmung bleibt gewahrt und lässt das Album letztlich als Werk aus einem Guss erscheinen. (A. Kaudaht)

Label: Unseen Worlds