TIMOTHY RENNER: Fallow

Timothy Renner hat neben zahlreichen Stone Breath-Veröffentlichungen (jüngst noch hier) immer wieder (teilweise unter leicht verschiedenen Namen) Soloalben veröffentlicht, die musikalisch sehr unterschiedlich ausgerichtet sein konnten: Vom Experimentellen hin zu selbstreflexiv betitelten „Primitive Recordings“ von Traditionals oder aber einer Tour de Force durch die verschiedensten Genres, die Renner sich im Laufe seiner Karriere zu eigen gemacht hat. Vor einigen Monaten erschien ein in einer alten Kirche eingespieltes Livealbum, das auf gewisse Weise „Fallow“ antizipiert, sein aktuelles, fast ausschließlich akustisches Album, auf dem sich neue wie auch Neuinterpretationen älterer Stücke finden.

Meistens wird Renners Gesang auf „Fallow“ lediglich von einem Instrument untermalt: Sehr häufig von Banjo, wie z.B. auf „Candle, Corpse and Bell“ (ursprünglich von Breathe Stone auf „Hex Thistle“ eingespielt), „Where The Crows Go“, „A Sorrow Spell“ (erstmalig auf Stone Breaths „The Nightbird’s Psalm“-Album zu finden) oder „Twelve Moons“, manchmal von einer Gitarre („Buried, Lost, Forgotten“). Auf dem ursprünglich von Crow Tongue interpretierten Clive Palmer-Cover „Osiris“ wird Renners Gesang lediglich von einem Harmonium begleitet. Auf„Corpse Candles“, „Hear Her Wings“ oder „Black Witch Bones (Grave Needs)“ kann man neben dem jeweiligen Saiteninstrument noch Drones hören.

Es finden sich Motive, Themen und Metaphern, die das Werk des in Pennsylvania ansässigen Renner seit Jahren prägen: Christentum (das vor einigen Monaten von Stone Breath zur„Communion of Saints“–Compilation beigesteuerte “Red Footsteps”), die in den letzten Jahren größeren Raum einnehmende Kryptozoologie: Auf „Some Thing“ (“Something walks beside me through the trees./I can’t see it, but it sees me”) oder “Bygone Graves” (“I felt its eyes, its piercing glare,/Staring from I knew not where./I did not see it in the trees/Nor did I hear it walking there.”). Der beschriebenen Natur wohnt aber nicht nur wegen ihrer Bewohner auch immer etwas Magisches inne: “Corpse candles weave all through the trees./Will-o-the-wisps whisper things to me.”(“Corpse Candles“). Motten (“The Moth’s Departure”) tauchen auf, Traditionals (“Reynardine”) werden neu interpretiert.

In den letzten Jahren hatte Renner sich (insbesondere mit seinem Projekt Albatwitch) stärker politisch positioniert. Explizite Kritik findet sich auf “Fallow” nicht, aber im postfaktischen Zeitalter der „tribal epistemology“ und in einem Land, das einen unter hypertrophem Narzismus leidenden Präsidenten hat, der gerade dabei ist, die USA radikal umzugestalten, kann man Zeilen wie „The shadow you are walking through/Is cast just by yourself. /Illusions built from smoke and dust: /A mask you try to sell. /Vanity cracks your fragile soul./ You try to see yourself./ The mirror mocks your fractured glare./ You do not know yourself. /Repeating someone else’s words: /Another masquerade. /A promise broken is a lie, /Today as yesterday.“ sicher auch als Zeitdiagnose lesen.

Zeitgleich mit diesem Album erscheint “Entity Drift”, ein experimentelles, nicht songorientiertes Album mit „Drones, hums, and liminal whir created for Strange Familiars podcast“, auf dem die Songtitel („Grey Mist“, „Ghost Forge“ oder „Fogwalkers“) die erzeugte Stimmung gut widerspiegeln. (MG)

Label: Hand/Eye