WILL OLDHAM: Songs of Love and Horror

In einer früheren Rezension schrieb ich einmal, dass Will Oldham alias Bonnie Prince Billy ein solch starkes emotionales Charisma hat, dass er auch einen simplen Satz wie “I Love You” singen könnte, ohne dabei abgedroschen zu wirken, und mit “I Gave You” schrieb er einen der erschütterndsten Songs über das Scheitern in der Liebe überhaupt. Schon an diesem Beispiel lässt sich aufzeigen, wie plötzlich sich in seinen Liedern bisweilen der Abgrund auftut. Dass er sein gerade erschienenes Zwischenresümee – ein Buch mit seinen gesamten Lyrics und eine CD mit neuen Versionen diverser Songs aus den letzten 25 Jahren, die auch separat erscheint – “Songs of Love and Horror” nennt, wirkt nicht nur passend, sondern führt sein Songwriting auch auf zwei wesentliche Eckpunkte seines künstlerischen Interesses zurück.

Man kann die Sammlung schlecht als Best-of bezeichnen, denn Oldham hat im Laufe seiner Karriere nur wenige “Hits” produziert, die aus dem Zusammenhang herausstechen und allgemein bekannt sind. Etwas spekulativ würde ich vermuten, dass er die Songs nicht nur nach persönlichen Vorlieben, sondern auch danach auswählte, wie repräsentativ sie ihm für sein Songwriting erscheinen. Dabei hat er sich einmal mehr an das ganz Einfache herangewagt und die in unterschiedlicher Opulenz gestalteten Originale auf Stimme, Gitarre und in einem Fall Pfeifen reduziert.

Durch das homogene Klanggewand und eine schwer greifbare stimmungsmäßige Gemeinsamkeit hat die Sammlung durchaus etwas von einem Album – mit der emotionalen Zwiespältigkeit als Klammer, wobei bei manchen Songs das Dunkle, mitunter Tragische besonders heraussticht. So z.B. bei “I See a Darkness”, und womit hätte man eine solche Compilation auch besser einleiten können als mit diesem vielleicht bekanntesten Bonnie Prince Billy-Song vom gleichnamigen Album, das seinen Klassikerstatus auch der Interpretation von Johnny Cash verdankt. Hier ringt ein hin und her gerissenes Ich mit der Kehrseite seiner Hoffnung und schwankt bekenntnishaft zwischen genügsamer Resignation und einer Auflehnung, die im Wunsch nach Erlösung besteht. Vor einigen Jahren hat Oldham eine tanzbare Version des Songs herausgebracht, die von einigen als ironisch aufgefasst wurde. Bei dem intimen Setting der Akustikversion, bei der der Sänger seine schwermütigen Verse wie direkt neben einem sitzend vorbringt, wird das wohl nicht passieren.

In einigen seiner Songs treibt Oldham die bescheidene Abgeklärtheit, der jede Bitterkeit fern ist, so weit, dass eine fast verbummelte Atmosphäre aufkommt, eine entspanntes Driften, wie es vor aller anderen Folkmusik v.a. in der Americana funktioniert, so in den simplen Versen und Melodiefolgen von “Only Someone Running” oder im fast heiteren Fingerstyle in “Ohio River Boat Song”. Die meisten Stücke jedoch haben die Aura unverblümter Bekenntnisse, in denen kleine Aufgewühltheiten in die Tonfolgen dringen und die Tragik der Geschichten über verpasste Chancen und verspielte Freundschaften (“So Far and here we go”) oder das Zurücklassen wichtiger Menschen (“Most People”) untermauern. Wie Bonustracks wirken dagegen die A cappella-Interpretation von Richard und Linda Thompsons “Strange Affair” und das live in “authentischer” Qualität aufgenommene “Party With Marty (Abstract Blues)”.

Hier und da vermisst man die etwas üppigere Instrumentierung der ursprünglichen Aufnahmen, doch wer das vor drei Jahren im Eigenlabel erschienene unbetitelte Bonnie Prince Billy-Album kennt oder überhaupt Klassiker wie “Black”, der weiß, wie gut sich Oldhams Songwriting auch mit reduziertesten Mitteln verträgt, und der stellenweise sehr eigene Charakter der Aufnahmen gibt der Sammlung ihre Relevanz. Das Buch ist jüngst im Verlag W.W.Norton erschienen, die CD bei den üblichen Verdächtigen. (U.S.)

Label: Domino / Drag City