AXEBREAKER: Brutality In Stone

Man hat oft den Eindruck, dass Vertreter von Power Electronics unter enormem Kongruenzdruck stehen, da fortwährend gezeigt werden muss, dass extreme Musik immer auch extremer Inhalte bedarf. Whitehouse, auf deren „Erector“-Album die Gattungsbezeichnung zurückgeht, haben mit ihren in der ersten Hälfte der 80er Jahre entstandenen Arbeiten (musikalisch wie vor allem ästhetisch-inhaltlich) Blaupausen für das geliefert, was das Genre die nächsten Jahrzehnte (häufig) prägen sollte: Serienkiller, Totalitarismus, sexuelle Gewalt – man denke etwa an “Right to Kill”, “Buchenwald”, “New Britain” oder “Dedicated to Peter Kürten”. Dabei schien es oft so, dass eine Konfrontation mit den etwas unschöneren Teilen der menschlichen Existenz zu einer Faszination mit dem Thematisierten wurde – letztlich schon angelegt bei Throbbing Gristle bei Stücken wie „Slug Bait“ oder „Very Friendly“ – und irgendwann bei manch einem zu einer plumpen Affirmation und zu Musik, bei der der appellative Charakter alles andere überlagerte.

Projekte wie die amerikanischen Shallow Waters situierten sich dagegen klar gegen  Polizeigewalt und die außenpolitischen Entgleisungen von God’s Own Country, allerdings weniger  – vorsichtig formuliert – ambivalent, als es bei einer Veröffentlichung wie „Save Our Slaves“ der Fall war. Auf dem kleinen Label Phage Tapes ist nun altes Material des Duos wiederveröffenticht worden und zeitgleich erscheint das neue Album von Axebreaker, dem Power Electronics-Projekt von Locrians Terence Hannum. Im Zuge einer zunehmenden Polarisierung der (nicht nur) amerikanischen Gesellschaft hat man inzwischen den Eindruck, dass zumindest partiell ein starkes Bedürfnis nach Eindeutigkeit da ist, dass Grauzonen einem Schwarz oder Weiß weichen müssen und Hannun charakterisiert sein Projekt dann auch eindeutig als „anti-fascist power electronics“ und bezieht seine Motivation zur Gründing von Axebreaker klar aus der Annahme, dass sich durch die Trump-Regierung inzwischen Faschismus in Teilen der Exekutive festgesetzt habe: „As a longtime fan of power electronics, I want to directly confront the right-wing posturing (and beliefs) inherent in its genesis as a genre and push it in a direction that uses its tropes to confront the vile ideology now enthroned in the executive branch and its supporters.“

Thematisch wird diese Ausrichtung schnell deutlich, ist der instrumentale Opener (mit fiesen Hochtönen und Rauschen) „Disorder“ doch dem linken Radiomoderator Alan Berg gewidmet, der von Mitgliedern der rechten Terrorgruppe „The Order“ ermordet wurde. „Ghost Skins“ ist mit dem analogen Brutzeln, ultraverzerrten hallenden Vocals und sirrenden Hochtönen der vielleicht konfrontativste Track des Albums. „Endless Power“ ist eine instrumentale unruhige Noisefläche. „New Nobility“ wird von stampfendem Rhythmus durchzogen und die Vocals, die eine klare Absage an jedwede Blut und Boden-Ideologie („Just a phantasm of a lie […] An ash in the dustbin of time“) erteilen, (er)klingen fast schon leidend. „The End of History“ beginnt mit dezenten Signaltönen, in die dann Verzerrungen einbrechen. Der in Charlottesville getöteten Heather Hayes ist das kurze fiepende „All Monuments Fall“ gewidmet. Auf „Murrah“ gehen die Vocals fast im Noiseinferno unter. „The State of Terror“ beginnt als ein ambientes, fast schon melodisches Satück mit brutalen Vocals.

Manches wirkt etwas (zu) bemüht, etwa dann, wenn auf der Bandcampseite darauf hingewiesen wird, dass auf dem zum Verkauf angebotenen T-Shirt „Anti-fascist symbols“ zu finden seien, aber darüber kann man hinwegsehen, vor allem da den Texten trotz aller ansonsten gezeigten Eindeutigkeit das allzu Sloganhafte abgeht. Eine durchaus gelungene Veröffentlichung, die deutlich macht, dass der eine oder andere durchaus in einen Abgrund blicken kann ohne allzu großen Schaden zu nehmen. (JM)

Label: Phage Tapes