SKELDOS: Ilgės. Caretakers of Yearning

Wenn man wenig empfänglich ist für die abgründige Tiefe melancholischer Ambientmusik, kann man die sanft dröhnenden Kompositionen des Litauers Vytenis Eitminavičius, der seit etwa fünf Jahren als Skeldos firmiert und bereits mit der herausragenden Daina Dieva gearbeitet hat, wie angenehme Entspannungsmusik konsumieren. Die wohligen Droneflächen, die oft in sanften Wellenfolgen nur leicht angestoßen werden, laden durchaus auch zum Loslassen und Schwelgen in heimeligen Welten ein. Vielleicht spüren nur die Sensitiveren die Herausforderung, die in den dichten Soundgebilden versteckt liegt.

“Ilgės – Caretakers of Yearning” ist die um einen Track erweiterte und von Hunter Barr neu gemasterte Version eines im letzten Sommer erschienenen Tapes und mutet, v.a. wenn man die im Digipack abgedruckten Texte zurate zieht, wie ein Protokoll und zugleich Ergebnis und Anstoß zu einer existenziellen Suche an, einer Suche, an deren Ende keine klaren Antworten stehen, und die doch nicht vergebens erscheint.

Auf den ersten Eindruck erscheint “Melas, a Lie”, der von dem gleichnamigen Gedicht des ebenfalls aus Litauen stammenden Autors Antanas Škėma inspirierte Opener, wie ein in fast perfekter Repetition auf und ab ebbendes Dröhnen, doch hinter der langsam einlullenden Bewegung, in der harmonisch alles passt, lugen allerlei diffuse Zeichen hervor. Leise Echos industrieller Geschäftigkeit hallen für Momente bis in die Mitte des Geschehens, Hochtönendes erklingt und erinnert an ersterbende Schmerzensschreie, doch all dies wird immer wieder mitgenommen vom vollen, dichten Fluss der traurigen Klänge, die eine derat trostreiche Geborgenheit entstehen lassen, dass man kaum auf die Idee käme, Leere in den minimalen Ereignisfolgen zu sehen.

Das folgende Titelstück wirkt im Auftakt dezenter, hintergründiger, doch lässt dies die an verfremdete Orgeln, Bläser und Glöckchen erinnerden Soundschichten nur umso deutlicher hervorscheinen und ihre melancholische Wirkung entfalten. Dieser Hintergrund beginnt zu verschwimmen, wenn Eitminavičius für Momente seine Stimme einsetzt und mit einem leichten Anflug von Melodie einen litauischen Text über die Essenz der Tränen wie aus dem Off und doch ganz dicht am Ohr erklingen lässt.

In die Musik scheint Bewegung gekommen zu sein, sie wirkt dichter und voller, und fast nahtlos kann das neue “Blunkantys, Fading Gardens” mit seinen hellen, doch von der Nacht verwschlungenen Farben daran anknüpfen. Auch hier kommt schlichter, ungeschliffener, fast folkiger Sprechgesang zum Einsatz, der sich vom aquatischen Ströhmen der kunstvoll gestalteten Musik abhebt. Das schon erwähnte Gedicht erzählt von einer langen mühsamen Suche, vom Wandern durch zahlreiche Tore auf dem Weg hin zu einem diffusen Ziel, doch letztlich vom Aufgeben. Zu diesem vordergründig resignativen, bei genauerem Hinsehen jedoch erfüllten Loslassen ist Skeldos’ Musik der perfekte Soundtrack.

Ein Blick auf den Kalender lässt vermuten, dass die 25 CDs der Special Edition mit tibetischen Gebetsfahnen, Weihrauch und anderen Beigaben, von denen ein Teil des Erlöses an die Organisation “Bridge of Friendship e.V.” zur Förderung der Bildungschancen von Kindern in der Himalaya-Region geht, vergriffen sind – als Statement von Band und Label sollte diese Aktion aber immer als Teil der Veröffentlichung betrachtet werden, die 175mal als reguläre CD erhältlich ist.

Label: The Epicurean