V.A.: Dark Ambient Vol. 19

Die von Sombre Soniks kuratierte Dark Ambient-Reihe hat wie das Labelprogramm generell einen stark rituell ausgerichteten Charakter, und da Ritualmusik mit Referenzen auf vorchristliche Glaubenssysteme und ihr Fortleben zwangsläufig einen Anker in regionalen Mythen haben muss, war eine Compilation wie diese fast schon zu erwarten. Auf “Dark Ambient Vol. 19″ widmen sich dreiundzwanzig internationale Acts mythologischen Narrativen einer Region, mit der sie sich – entweder durch Herkunft oder als Wahlheimat – verbunden fühlen.

Ein wesentlicher roter Faden der Sammlung ist, dass der Bezug zum titelgebenden Dark Ambient von vielen Beitragenden sehr ernst genommen wird: Rituell ausgerichtete Musik mit Bezug zu regionalen Stoffen müsste nicht zwangsläufig wie eine von rauschenden Winden umtoste Schiffahrt durch dunkle, eisige Gewässer gleiten – hier tut sie es aber fast durchgehend, was zumindest eine der interkulturellen Gemeinsamkeiten im heutigen Mythenverständnis zu sein scheint. Aus fast allen Kontinenten stammen die Künstler, die über metallenes Scheppern, kreisende Dröhnung, wuchtige Pauken, anmutige Glöckchen und Flöten und mal liebliche, mal geheimnisvolle Gesänge Geschichten über Wiedergänger, Poltergeister und okkult aufgeladene Orte erzählen und hier und da das Echo lokaler Folkmusik einfließen lassen.

Aus der Fundgrube, die siese Sammlung für vergleichende Studien darstellen könnte, ragen m.E. einige Beiträge besonders hervor: Die ungarischen Black Weald kreieren ein dramatisches Hörspielszenario voll spannungsgeladener Soundeffekte. Der in Großbritannien lebende Thailänder Sheer Zed porträtiert eine verwunschene Tempelanlage in dezenten Ethnosounds, die sich zu prasselndem Lärm steigern – das Stück hätte auf den seinerzeit gefeierten “Jakura”-Sampler gepasst. Seine Landsleute Kia Karma arbeiten ähnlich, geben ihrem Beitrag jedoch einen abgründigeren, grollenden Touch. Akoustik Timbre Frekuenzy lässt einen Ort in Südengland, an dem man einen früheren Mithras-Altar vermutet, in abstrakten Andeutungen voll diffuser Dröhnung und undefinierbaren Melodien lebendig werden und tragen dabei der Tatsache Rechnung, dass wohl die meisten solcher Mythen heute mehr interessante Fragen aufwerfen, als klare Hinweise zu liefern.

Während die Australier von Grist eine prähistorische Sumpffauna zum Leben erwecken, widmen sich Temple Music einem Stoff der griechischen Wahlheimat Alan Trenchs und R. Loftiss’ und besingen die kinderverschlingende Lamia von Prinias in einem achteinhalbminütigen Score aus gruseligen Pianoparts, rauen Ambientflächen und einer diffus durch den Raum schwebenden Frauenstimme. Force Ignore und Mariam Zohra D., neben dem unberechenbaren Soundbruzzler Xerxes the Dark Vertrrter des iranischen Underground, steuern eine pulsierende Hörspielszene bei, durch die Mariams ornamentalen Gesang in Farsi gleitet, der durch sein Stimmvolumen beeindruckt.

Naben diesen Stücken, deren Gemeinsamkeit ist, dass sie den Ambient-Begriff merklich ausweiten, gibt es natürlich noch eine Menge mehr zu entdecken, was bei der Länge von knapp vier Stunden und dem hochwertigen Sombre Soniks-Kanon nicht überrascht. (U.S.)

Label: Sombre Soniks