ALE HOP: Apophenia

In der Psychiatrie versteht man unter Apophänie die Neigung Schizophrener, in zufälligen, meist visuellen Details aussagekräftige Zeichen oder konkrete Gegenstände wahrzunehmen – ein Phänomen, das es in milder Form natürlich auch bei nicht psychotisch Erkrankten gibt, die sich des projektiven Charakters der Wahrnehmung aber in der Regen bewusst sind. Die Grenzen zwischen Apophänie und kreativen Assoziationen sind also fließend. In der Kunst und so auch in der Musik kann man sich diesen Mechanismus zunutze machen, indem man mittels Zitaten – z.B. einmontierten Feldaufnahmen – oder Ähnlichkeiten – z.B. Lautmalerei – eine derartige Wahrnehmung triggert. Die aus Peru stammende Soundkünstlerin und Wissenschaftlerin Alejandra Luciana Cárdenas alias Ale Hop macht auf ihrem aktuellen Album den Versuch, durch abstrakte Klangkombinationen die Vorstellung der bewohnten und unbewohnten südamerikanischen Landschaft hervorzurufen.

Ein solches Ziel einem Publikum relativ sicher zu vermitteln ohne dabei zu sehr mit dem Zaunpfahl zu winken ist sicher ein ästhetischer Drahtseilakt. An der Musik auf „Apophenia“ fällt zunächst auf, dass sie ausgesprochen wandlungsreich ist. Ein auf und ab von schrillem, bohrendem Noise, ambienten Soundscapes und molllastiger Dröhnung gestaltet die ersten Minuten, steigert sich in Fülle und Intensität und leitet mit Stimmengemurmel über in den zweiten Track, bei dem sich ein gesampleter Bericht – „Noise is ever present“ – gegen wabernde Elektronik und pianoartige Tupfer behauptet. Ein Panorama aus abstrakten und griffigen Strukturen, menschlichen Spuren und rein topografischen Mustern, zu dem sich im Track „Lima“ ein chaotischer Schmelztigel aus Stadtgeräuschen – Stimmen, Glocken, Detonationen, Musikfetzen, Vogelzwitschern – gesellt und ein eher raues, reizüberflutendes Bild zeichnet.

Immer wieder kommen kleine „musikalische“ Details zur Sprache, fast poptaugliche Rhythmen, gehauchte Gesangsfragmente in schräger Melodie, Gitarren in allen Facetten von folkigen Akkorden über schwüle Twangs bis zu metallener Schwere – und fallen doch irgendwann der unberechenbaren Heterogenität und dem permanenten Gestaltwandel innerhalb der Stücke anheim. Auf gewisse Weise ist das auch so etwas wie Geografie, wenn man darunter (auch) die Einladung zur Imagination einer sehr wechselhaften, stellenweise unwegsamen, spannenden bis turbulenten Region versteht. (A. Kaudaht)

Label: Buh Records