SOL INVICTUS: In A Garden Green

Fans von Sol Invictus bezeichnen entweder alle Alben, die die Band in den ersten zwanzig Jahren ihrer Laufbahn herausgebracht hat, als Klassiker, oder aber sie beschränken sich auf die ersten drei Longplayer. Meines Erachtens verdient auch “In A Garden Green” den Status einer besonderen Wegmarke, da es einige der Besonderheiten der Schaffensphase im Werk der Band auf charakteristische Art bündelt.

Das Album erschien 1999 auf der Höhe einer Zeit, als Tony Wakeford und seine Band ihren klassischen Folk Noir-Stil um einige Elemente – Musik aus Renaissance und Barock, Sakrales, leichte Prog-Anleihen, später sollten Einflüsse des Jazz und Soundtrackelemente hinzukommen – bereicherten. Auf der Basis von Gitarren, Bass und mehrstimmigem Gesang wurden Instrumente wie Querflöte, Streicher, Piano und Cembalo integriert, womit das Album einen etwas ruhigeren, filigraneren Gegenpart zu den vorausgegangenen (“The Blade”) und nachfolgenden (“Hill of Crosses”) Werken bilden sollte, die insgesamt herber und aggressiver ausgefallen sind. Gemeinsam mit allen Alben dieser Ära ist der latent konzeptuelle Charakter, der sich in Sound, Lyrics und der nur angedeutet zyklischen Anordnung der Songs findet und der gut zu Wakefords Aussage, er möge prinzipiell keine Konzeptalben, v.a. die anderer Leute (Interview in Equinoxe 1999), passt. Prophecy haben das Album jüngst als LP neu herausgebracht.

Spuren der bodenständigen Derbheit, die in Form fetzigen Geschrammels, parataktischer Texte und des heiseren Gesangs eines Altpunks ein Markenzeichen der Band waren und auch später wieder sein sollten, finden sich auf “In A Garden Green” nur minimal. Songs wie “Come the Morning”, der Titeltrack oder “No One” interpretieren den typischen Folksound der Band auf fragile, durchaus anheimelde Art, doch die Texte lassen keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem grünen Garten, den Tor Lundvall so schön im abendlichen Dämmerlicht illustriert hatte, um einen zwiespältigen Ort handelt, um ein von Menschen geschaffenes Biotop und eine dadurch symbolisierte Zivilisation, in der hinter jeder schönen Pflanze, jedem freundlichen Wort unberechenbare Gefahren lauern.

Und überhaupt, auch musikalisch dringt etwas Dunkles, Unerklärliches durch alle Ritzen des beschaulichen Szenarios, und einmal mehr findet man sich im Englischen Garten aus “In the Rain” wieder, in dem notdürftig verscharrte Leichen im Keller das Idyll trüben. Sol Invictus sind seit jeher Meister des verunklärten Idylls, dessen zerrissene Schönheit weder geleugnet, noch einseitig glorifiziert wird. “No One”, vielleicht der Dark Folk-Hit des Albums, entlarvt die Vision eines pastoralen Liebesidylls und lässt doch offen, ob es sich bei dessen Negation vielleicht um eine ebenso starke, negative Projektion handelt – das betörende Zusammenspiel von männlichem und weiblichem Gesang, der das ganze Album durchzieht, verführt dazu, dem Song alles zu glauben. Ein Novum damals und beinahe ein Alleinstellungsmerkmal bei Sol Invictus sind sakral anmutende Stücke wie “O Rubor Sanguinis” und “Ave Maria”, die in etwas modifizierter Form auch auf ein Orchestra Noir-Album gepasst hätten, einen besonderen Moment hält das cinematisch mit verwunschenen Violinparts umgesetzte irische Traditional “The Praities Song” bereit. Das romantisch verklärte Szenario transportiert die sehnsuchtsvolle Klage der Bauern während der Kartoffelpest im 19. Jahrhundert.

Die neue Doppel-LP basiert hinsichtlich Sound und Tracklisting auf der vor neun Jahren erschienenen 2CD-Version, die neben dem Album noch das zur gleichen Zeit aufgenommene Bootleg “Live in Villeurbanne 1999″. Dieses enthält vierzehn Tracks aus unterschiedlichen Phasen, aber im damals aktuellen Sound der Band. Angefangen vom orgellastig-feierlichen “O Rubor Sanguinis” wird wie bei den üblichen Sol Invictus-Konzerten ein sechzehn Songs umfassender Querschnitt durch das bisherige Werk inklusive “Media”, The Fool” und einige ganz frühe Songs geboten. Die eher mittelmäßige Aufnahme, bei der nerviges Publikumsgebrüll hin und wieder die Intros übertönt, ist bei einem Bootleg zu verschmerzen.

Label: Prophecy