CONSTANTINE: In Memory Of A Summer Day

In den ersten Jahren, also seit dem 2015 im Eigenlabel veröffentlichten Album “Day of Light”, war die Kapelle um den Chicagoer Constantine Hastalis zumindest hierzulande eher ein Geheimtipp, der nur Folkenthusiasten ein Begriff war. Dies hatte aber primär mit dem Mangel an Vertriebswegen für das Album und den eher raren Konzerten zu tun, denn mit ihrer ausgesprochen eingängigen Bezugnahme auf psychedelische Folkmusik der 60er und 70er mit einer Handschrift irgendwo zwischen In Gowan Ring und der Incredible String Band hatte die Gruppe definitiv das Zeug zu größerer Popularität. Vor einigen Monaten erschien der Nachfolger “In Memory Of A Summer Day” beim katalanischen Label Guerssen Records und knüpfte beinahe nahtlos an den Erstling an.

An dem Sommertag, der in der knappen Stunde erinnert wird, hat die Truppe, wie es scheint, eine kurze, aber turbulente Reise durch Raum und Zeit unternommen. Das Setting erinnert an ein mittelalterliches Fantasiereich, entworfen von Donovan oder einem verwandten Geist. Das von der sanften Gitarren und der noch sanfteren Stimme Hastalis’ getragene Intro entführt in ein morgendliches, von Sonnenlicht durchflutetes Märchenland. Eine Querflöte leitet über in das Medley aus “Morning” und “Meandering Way”, wo krakelende Vögel die Kulisse abgeben für einen mehrstimmigen Gesang, in den sich nicht nur Bärbeißiges, sondern erstmals auch auch der sanfte Sopran von Jen Williams mischt, der noch mehr zur andersweltlichen Stimmung beiträgt. Gänsehautfaktor wurde das früher gerne genannt, und die Wirkung steigert sich noch, wenn sich die Gangart irgendwann recht abrupt zum Allegro wandelt.

Solche Brüche passen gut zu dem im Grunde allgegenwärtigen Progressive-Einschlag. Der verhindert aber auch am stärksten, dass die märchenhafte Geschichte nicht vollends in Schlumpfhausen stattfindet. Ein Song wie “Spring”, der sich pantomimisch nach vorn schleicht und eine unheimliche Stimme zwischen David Tibet und Gollum ans Mikrofon lässt, ein Stück wie “My Dear Alice”, dessen geheimnisvoll wabernde Sitarklänge immer mehr von Beat-Ideen der Swinging Sixties aufgemischt werden, bis alles in Rauch und Nebel verschwindet, die monumentale Entgrenzung im finalen “The Kingdom Must Fall”, ein heroischer, mittelalterlicher Kraftakt wie das zünftige “Slaying Of The Dragon”, dem gerade der fragil-brüchige Gesang des Bandleaders ein paar zusätzliche Schrägheiten verleiht – all diese Momente sorgen für eine Vielseitigkeit, mit der das Album an vielen Stellen andocken kann.

All dem zum Trotz ist “In Memory Of A Summer Day” kein heterogenes Allerlei, und sein eigentliches Setting sind pastorale Ancient Lullabies wie
“Matilda Of The Meadow”, wehmütig weltentrückte Songs über “a girl whose hair flew like water / with eyes like berries in spring”, wo stimmungsvoll gezupfte Saiten und liebliche Flöten allem grauen, aber auch allem grellen einen Platzverweis erteilen.

Kurzes Fazit: Selten schön, für einige sicher zu schön, und manch einer mag lange brauchen, um aus diesem Sommertag, der vielleicht nie existiert hat, in die schnöde, graubunte Wirklichkeit zurückzufinden. (U.S.)

Label: Guerssen Records