Ich könnte du sein, aber du niemals ich: Neues von Mutter

Die seit Mitte der 80er existierende Berliner Band Mutter bringt just ein neues Album unter dem Titel “Ich k​ö​nnte du sein aber du niemals ich” heraus. In den üppig instrumentierten, oft derb-rockigen Songs wird die Kernbesetzung aus Max Müller (Gitarre/Synth/Gesang), Florian Koerner von Gustorf (Schlagzeug) und Michael Fröhlich (Bass) von Michaela Schimun (Gesang), Coco Noix (Gitarre) und Black Mozart (Violine) ergänzt. Das Album erscheint in zwei verschiedenfarbigen Vinyleditionen und digital beim hauseigenen Label Die Eigene Gesellschaft.

“Mit kräftigem, violetten Strich hat der Künstler die Figur auf das Papier gelegt, ja man möchte fast sagen: graviert. Die dunklen Haare sind mit Lockenwicklern aufgerollt, jedoch nicht vollständig. An der hinten liegenden Gesichtshälfte schaut noch eine Strähne heraus, gerade so, als wäre die Dargestellte mitten in ihrer Abendtoilette überrascht worden. Das Antlitz in den Händen vergraben, als wolle sie die vom Drangsal entstellten Gesichtszüge aus Scham verbergen, scheint die Frau von jähem Schmerz ergriffen. Über den Ursprung ihrer Malaise können wir nur Vermutungen anstellen. Ob Demütigung, Liebeskummer, Ohnmacht, Trauer, Scham oder gar Depression, wir wissen es nicht. Bei dem zart rosa karierten Gewand handelt es sich offensichtlich um einen Nachtrock und so können wir auf eine anrührend einsame Szene in einem Schlafgemach schliessen. Haarpracht und Kleidung geben indes begrenzten Aufschluss über Zeit und Raum. Man könnte annehmen, es handele sich hier um eine typische bundesrepublikanische Hausfrau der 1960er Jahre. Gerade hat sie sich noch schön gemacht, die Haare für den nächsten Tag hergerichtet, die Haut dick mit wohlriechender Kamillencreme eingeschmiert, da schüttelte sie ein Gefühl ungeklärter Herkunft. Eine domestische Szene, die gewiß bei manchen eine beklemmende Nähe hervorzurufen vermag. Am linken Bildrand wird die Szene eingerahmt durch den Satz: „Ich könnte Du sein – aber Du niemals ich“, flankiert von einem Auge, das den Betrachter anblickt, so als wolle es die Aussage auf uns lenken. Der Satz, der in einer Intonation beginnt, die eine empathische Färbung verspricht, endet mit überheblicher Wendung, ja, mit geradezu anmaßender Arroganz. Worauf es sich bezieht, können wir nicht wissen. Ist die Abgebildete gemeint? Für wen steht sie? Sind am Ende wir selbst gemeint? Wir wissen nicht, wie es in Mutters Herzen aussieht. Aber wir können ihren Schmerz verstehen.” (Die Eigene Gesellschaft in ausführlichen Erörterungen zum Artwork von Max Müller und letztlich auch zum Albumtitel)