SHARRON KRAUS: Kin

Sharron Kraus hat sich in den letzten Jahren mit einem umfangreichen und diversen Werk, zum Teil alleine, zum Teil mit anderen zusammen, einen ganz eigenen Folkkosmos erschaffen. Zuletzt interpretierte sie zusammen mit Justin Hopper Gedichte von Victor Neuburg.

Ihr neues Album „Kin“, der eigentliche Nachfolger von dem 2018 erschienenen „Joy’s Reflection Is Sorrow“, knüpft an den Vorgänger von der Stimmung durchaus an, hieß es doch hier über dieses Album:  „Kraus selbst bezeichnet das Werk als fröhlicher und lebensbejahender als viele ihrer früheren Aufnahmen, und in den Texten stellt sie der Dunkelheit, in die man durch persönlichen Verlust, aber auch durch die großen Ereignisse in der Welt gestoßen wird, den Fokus auf Freude am Bestehenden und Möglichen entgegen.“ „Kin“ ist ebenfalls tatsächlich weniger stark im teils doch dunkle(re)n Frühwerk verankert. Zugleich verlässt Kraus auf “Kin” mit der Instrumentierung zum Teil einen allzu engen Folkkosmos stärker als auf dem Vorgänger, zumindest auf einigen Stücken.

„Tell Me Death“ eröffnet das Albun mit einem Gespräch mit dem titelgebenden „Tod“ und hat durch Einsatz von E-Gitarre und Schlagzeug Folkrockcharakter. „The Way We Hurt“ beginnt mit dezenter, leicht schleppender Perkussion, etwas Bass kommt hinzu. Das Ambivalente des Titels wird im Text direkt aufgegriffen: „How shall we count the ways/We hurt each other/How shall we count the ways/We hurt“, um am Ende die direkte (und nicht beantwortete oder beantwortbare) Frage zu stellen: „And can we change?“ Ihre Stimme steht in diesem Stück klar im Zentrum. „The World Within The World“ mit einer pastoralen Flöte und an ein Akkordeon erinnerndes Keyboard klingt  dem Text entsprechend unbeschwert: “While the storm/Rages around you/There’s a calm/Centre”. „Do It Yourself“ löst sich mit elektronischen Beats von einem konventionellen Folkidiom. Dagegen ist „The Trees Keep On Growing“ mit dem ruhigen Fingerpicking und der melancholischen Flöte im weitesten Sinne traditioneller und auch dunkler: Hier wird  eine von Menschen entvölkerte Welt gezeigt: „Who will mourn us?/Who will mourn?“. „The Locked Garden“ ist dagegen wieder elektronischer und erinnert thematisch entfernt an Blakes „The Garden of Love“. Wo es in Blakes Text die Prieser sind, die (naturgemäß) die Verbote aussprechen, sind es bei Kraus die „men at the entrance“, an denen sie sich vorbeischleichen muss, um in den Genuss der „scents“ und „trees“ zu kommen. „Weft and Warp“ wäre sicher auch auf einem frühen Album Kraus’ nicht fehl am Platz gewesen. Auf dem eher direkten Liebeslied „More Of Your Thoughts“ hört man im Hintergrund leicht mysteriöse Synthsounds und ein paar Gitarrentöne. Das schöne Folkstück „Shot Thorugh With You“ endet mit Zeilen, die wie ein mehr als adäquater Kommentar zur volatilen Gegenwart wirken: „We may not make it through/These dangerous times/I may not see you again/Except whenever I close my eyes“. „A Kind (Of Human)“ schließt das Album dann aber  trotz der Beschreibung des Menschen als „rotten through and through“ positiv ab: „There’s something to strive for too“. (MG)

Label: Nightshade Records