MATTEO UGGERI: Growth

Leise, geerdete Gitarrenschläge und ein zartes, fast unmerkliches Rauschen erzeugen eine intime, kontemlative Stimmung. Langsam und in immer noch maßvoller Zurückhaltung füllt sich der Raum mit kratzigen Texturen, bis der Sound eines Klaviers subtil in den Vordergrund tritt. Eine gewisse Spannung entsteht, die dennoch eine geduldige Behutsamkeit transportiert. “Observing, Waiting for…”, heißt passenderweise das Eröffnungsstück von Matteo Uggeris aktuellem Longplayer, in welchem das Piano und die drei elliptischen Auslassungspunkte nicht die einzigen leitmotivischen Elemente bleiben werden,

Uggeri, der auf unseren Seiten erstmals im Kontext seiner Combo Sparke in Grey und als Kollaborateur von Controlled Bleeding vorgestellt wurde, hat mit dem “Growth” betitelten Werk ein zutiefst persönliches und emotional aufgeladenes Album geschaffen, das in seinen langsamen Bewegungen eine intime Atmosphäre entfaltet. Es ist das dritte Werk einer Trilogie, die 2013 mit „The Next Wait“ begann und sich 2018 mit „My Happiest Consumption“ fortsetzte. Doch während diese Alben eine Vielfalt an Instrumenten und Kollaborationen aufwiesen, konzentriert sich “Growth” auf das Klavier, das in Fragmenten und repetitiven Mustern zu hören ist.

Uggeri selbst beschreibt das Album als das bewegendste seiner Karriere, ein Werk, das ihn durch den unmittelbaren Prozess des Spielens am Laptop tief berührt hat. Dabei besteht die Musik nicht aus neu eingespielten Kompositionen, sondern aus bearbeiteten Samples von Klavierstücken, die Uggeri selektiv auswählte, um Momente musikalischer Intensität einzufangen. In seinen eigenen Worten: „Es gibt oft einen bestimmten Moment, eine kleine Sequenz von Noten und Akkorden, in denen ich die Emotionen hinter den Händen am Klavier wirklich fühle. Ich wollte mehr von genau diesen Momenten.“ Dieses Konzept zieht sich durch das gesamte Album: Fragmente, die durch Looping und minimale Effekte zu neuen, meditativen Stücken transformiert werden.

Mit “…for the Little Silver Stars” entfaltet Uggeri eine betont harmonische Szenerie – hier tritt das Tastenspiel in den Vordergrund, während im leises, wie aus dem Haus nebenan herübergewehtes Rumoren und elektronische Elemente eine fast schwebende, träumerische Stimmung erzeugen. Die repetitiven Muster und die vorsichtigen, fast minimalen Eingriffe schaffen eine beruhigende, auch ausgesprochen dichte Klangwelt. “…for the Speeches to the Moon” gibt ich sehr entrückt und stellt eine fast kindlich anmutende Simplizität ns Zentrum, die – vielleicht bemerkt man es erst hier – auch in den anderen Stücken latent vorhanden ist. Das von elektifiziertem Knacken durchzogene “…for You Bleeding Goddess” führt ein Moment des Märchenhaften fort und führt dieses ganz subtil in undefinierbareres Terrain

Das Album erreicht mit “…for Daughters and Sons” (das nicht als einziges Stück Themen der Familie anklingen lässt) seinen Höhepunkt. Die Klänge lassen an die schlichte Schönheit eines Arvo Pärt denken, mit hochtonigen, mollgetränkten Pianoklängen, die sich in ihrer Dekonstruktion einer Nocturne (falls das eine annähernd sinnvolle Beschreibung ist) verlieren. Hier gelingt es Uggeri, die Hörer in einen hypnotischen, zeitlosen Raum zu ziehen, in dem sich die Grenzen zwischen Introspektion und kosmischer Weite auflösen. Der Abschlusstrack, “…and Then This Wonder”, bildet ein kurzes, aber eindringliches Finale. Tremolierende Klänge schweben durch den Raum und hinterlassen einen Hauch von Nostalgie, bevor sie langsam ausklingen – ein Abschluss, der den emotionalen Bogen des Albums zu einem subtil-kraftvollen Ende bringt.

“Growth” ist ein Album, das in seiner Reduktion auf das Wesentliche beeindruckt: minimal bearbeitete Klaviersamples, die in ihrer Einfachheit eine tiefe emotionale Wirkung entfalten. Uggeris Ansatz, die Essenz musikalischer Momente einzufangen und diese durch Loops und einfache Effekte in etwas Neues zu verwandeln, verleiht dem Album eine besondere Stimmung. Wie Uggeri selbst erklärt: “Dieses Album erforscht den geheimnisvollen Prozess des Wachsens in all seinen Facetten durch die Abstraktion von Klaviernoten”. Es lenkt den Fokus auf kleine, intime Momente, die sich langsam zu etwas Größerem entwickeln – ein stilles und zugleich starkes Werk. (U.S.)

Label: 13 / Silentes