NURSE WITH WOUND: The Grave And Beautiful Name Of Sadness

Es mag für viele (auch den Verfasser dieser Zeilen) inzwischen schwierig geworden sein, sich in dem schier unübersichtlich gewordenen Werk Nurse With Wounds und Steven Stapletons noch zurechtzufinden – Hilfe bietet noch immer die Brainwashedseite – , aber es lohnt immer wieder, wie auch gerade diese Veröffentlichung von zwei Tracks aus dem Archiv beweist.

Die Genese des (auf dem jüngst veröffentlichten Vinyl nicht vorhandenen) Ursprungstracks „The Grave And Beautiful Name Of Sadness“ ist ähnlich verwirrend, verzweigt und verwinkelt wie das Werk des Wahliren, wurde dieser lange Track doch ursprünglich von Steven Stapleton und Geoff Cox-Dorée 1984 eingespielt, ein Mix fand sich dann auf dem „Lumb’s Sister“-Album, ursprünglich als Soundtrack für Chris Wallis’ gleichnamigen Film konzipiert (von dem wohl nur noch ein hier zu sehendes Fragment erhalten ist). Schließlich erschien der lange Track 1991 auf David Tibets and Steven Stapletons Album „The Sadness Of Things“ und man konnte dann das repetitive, dunkel-dröhnende Stück in Gänze hören. Auf dieser CD fand sich der Hinweis, es sei der Soundtrack für Diana Rogersons Film „Twisting The Black Threads of My Mental Marionettes“.

Das Stück antizipiert vielleicht etwas das Meisterwerk „Salt Marie Celeste“ und ist musikalisch sicher näher an dem auf keiner Ambientliste fehlenden Klassiker „Soliloquy For Lilith“ als an Alben wie „Rock ‘n Roll Station“ oder an dem, was die Band nach ihrer Neu(er)findung als Liveband manchmal spielt. „The Grave And Beautiful Name Of Sadness“ (mit einem vielleicht doppeldeutigen „grave“ im Titel, dessen Bedeutung als Nomen sich Mercutio im Gespräch mit Romeo zu eigen macht, kurz bevor er die sich befehdenden Familien verflucht) ist ein Stück, das immer wieder den Eindruck erweckt, etwas Bedrohliches stehe kurz bevor.

Auf dem jetzt auf Colin Potters Label ICR erschienenen Album finden sich zwei Überarbeitungen: Da ist einmal eine Version aus dem Jahr 2012, zu der Andrew Liles Gitarre und seine Mixkünste beisteuerte. Dieser lange Track klingt anfangs verrauschter, die im Original wie Sirenen klingenden an- und abschwellenden Drones stehen hier zu Beginn etwas weniger stark im Vordergrund, sind Teil einer Klangfläche – erst im letzten Teil dominieren sie diese, von Bandseite als „psychedelisch“ apostrophierte Version. Die Bearbeitung auf Seite 2 stammt aus dem Jahr 2007 und war ursprünglich konzipiert für den Soundtrack für “Katalin Varga”, den Debütlangfilm eines der wohl interessantesten zeitgenössischen britischen Regisseure: Peter Strickland hat mit seinen bisherigen fünf Spielfilmen ein ebenso eigenständiges Werk im Medium Film geschaffen wie Stapleton in der Musik. Insbesondere seine Giallohommage „Berberian Sound Studio“ und sein bislang letzter Langfilm „Flux Gourmet“ räumen dem Ton auditiv wie thematisch eine zentrale Rolle ein. Stapletons Version beginnt mit zusätzlichen Sounds, man hat den Eindruck eine Klangschale werde geschlagen, es dröhnt minimal, dann setzen die aus dem Original bekannten Sounds ein.

Letztlich entschied sich Strickland dazu, die Ursprungsversion zu verwenden. Welcher der drei bislang veröffentlichten Versionen man als Hörer den Vorzug gibt, ist sicher Geschmackssache, allerdings sind alle drei beeindruckende Zeugnisse davon, was Stapleton aus und mit Klang alles machen kann. (MG)

Label: ICR