RG ROUGH: 80

Die populäre Ästhetik der 80er, das wissen natürlich v.a. die reiferen Semester unter unseren Leserinnen und Lesern, war in weiten Teilen geprägt von auffälligen Farben, futuristischen Designs oder was man damals so betrachtete und einer Mischung aus Künstlichkeit und einem High-Tech-Optimismus, der sich in gebrochener Form auch in den zahlreichen der meist weniger farbintensiven Subkulturen der Ära spiegelte. In der Mode, so will es das nicht ganz zu unrecht bestehende Klischee, dominierten Röhrenjeans, Schulterpolster, Neonfarben und glänzende Materialien wie Nylon oder Kunstleder, dazu kamen voluminöse Frisuren mit viel Haarspray, zugleich setzte sich allmählich auch der militärische Kurzhaarschnitt wieder durch, und wie bei vielem waren auch da die alternativen Szenen Vorreiter.

Längst nicht alle, aber durchaus einige der populären Musik war stark von Synthies und Drummachines geprägt, die Bandbreite reicht von New Wave und Synthiepop bis hin zu elektronischem Funk und frühen Formen von Hip-Hop. In Filmen und Musikvideos setzten viele auf grelle Beleuchtung, starke Kontraste und visuell überladene Effekte, oft mit einem Hang zum Künstlichen, erkennbar in Neon-Schriften, Chrom-Optik und digital anmutenden Animationen. Die verstärkte Konsum- und Fitnesskultur zeigte sich in Werbung und Popkultur mit einem Ideal von dynamischer Leistungscoolness, das sich in Filmen wie “Top Gun” oder Werbekampagnen für Sportmarken widerspiegelte. Gleichzeitig gab es einen futuristischen Blick nach vorn, oft mit einem Hauch dystopischer Ängste wie in “Blade Runner”, “Tron” und zahlreichen anderen Werken des Films, der Literatur und letztlich auch der subkulturellen Musik.

Genau diese Atmosphäre bringt RG Rough mit “80″, dem dritten Teil seiner Trilogie “60/70/80″, auf den Punkt. Das Album wirkt wie ein fein abgestimmtes Mosaik aus musikalischen Elementen der Dekade, wobei die Verfremdung und Neukombination der Sounds das Hörerlebnis weit von bloßer Nostalgie entfernt ist. Anleihen aus Post-Punk und EBM werden verarbeitet, aber nicht als reine Retro-Zitate, sondern als Bestandteile eines eigenen, dicht verwobenen Soundmosaiks. Dabei ist interessant, dass diese deutlich weniger quietschbunten Bauformen die Künstlichkeit dessen, was man in den 80ern noch nicht so häufig Mainstream nannte, immer durchscheinen lassen. Die einzelnen Abschnitte der beiden seitenfüllenden Stücke gehen gekonnt ineinander über, die strukturellen Wechsel bleiben unvorhersehbar. Mal dominieren stakkatoartige, stampfende Rhythmen, die die körperbetonte Ästhetik der 80er Jahre greifbar machen, mal tauchen neoklassische, filmmusikartige Momente auf, die das Pathos der Zeit einfangen. Doch RG Rough betrachtet das Jahrzehnt nicht nur durch die Linse von New Wave und Synthesizer-Musik. Auch andere Prägungen der Epoche werden mitgedacht, etwa in der Art, wie sich auf der zweiten Albumseite repetitive Strukturen aufbauen und intensivieren. Hier tauchen choralartige Samples auf, die an die liturgischen und mystischen Strömungen erinnern, die auch in der Popkultur der Dekade eine Rolle spielten. Gleichzeitig schafft es Rough, den oft in den Vordergrund gemischten (und für den Rezensenten heute schwer goutierbaren) Drumcomputer-Sound dieser Zeit in Szene zu setzen. Die Musik evoziert Bilder von verschwitzten Stirnbändern im Aerobic-Studio und von der Exzentrik, die in der Dekade zwischen Hochglanz und Dystopie mitschwang, und zu der auch der Opel Manta-Fahrer mit Fuchsschwanz an der Antenne gehört, ob einem dies nun gefällt oder nicht.

“80″ ist mehr als eine bloße Hommage an ein vergangenes Jahrzehnt. Es ist ein Album, das die Vielfalt der 80er reflektiert, ohne sich in musealer Retro-Verliebtheit zu verlieren. Der kräftige, dichte Sound und die durchdachte Komposition machen deutlich, dass RG Rough die Epoche nicht nur zitiert, sondern einem ganz eigenen, wie mir scheint durchaus bisweilen augenzwinkernden Blick folgt und diesen auch für die heutige Zeit erfahrbar macht. (A.Kaudaht)

Label: Bam Balam