Der australische Folksänger und Mehrfachinstrumentalist Adam Geoffrey Cole hat in den vergangenen knapp zwanzig Jahren eine ganze Reihe an Alben aufgenommen und meist als Trappist Afterland, vor einigen Jahren aber auch unter seinem eigenen Namen veröffentlicht. Die Entscheidung für den einen oder den anderen Interpretennamen hat wenig mit der Anzahl eventuell beteiligter Gäste zu tun, vielmehr wohl dagegen mit Fragen nach einer eventuellen Abkehr von früheren konzeptuellen Ideen und mit solchen nach dem Grad der persönlichen Färbung zu tun. Dass Cole sich nach der Kollaboration mit Anthony Cornish doch wieder für den vertrauten Projektnamen entschieden hat, könnte der Erkenntnis geschuldet sein, dass die Unterschiede zwischen den Soloreleases und Trappist nicht trennscharf zu markieren sind, vielleicht auch der Liebe zu einem langjährigen Werk.
Dass die Phase der Soloaufnahmen zumindest vorerst beendet zu sein scheint, lässt sich auch aus der Existenz der vorliegenden Compilation ziehen, denn mit dieser stellt Cole nicht nur eine Auswahl aus den Werken “Seasick”, “Fallowing”, “The Tracks of the Afterlander” und “The Cellophane Sea” zusammen, sondern verleibt sie durch den Bandnamen Trappist Afterland quasi nun auch deren Diskografie ein. Die Sammlung beginnt mit dem Titeltrack und einem weiteren Stück der 7″ “Seasick”, die 2021 bei Sonido Polifonico erschienen ist und in der internationalen Wahrnehmung vielleicht ein bisschen untergegangen ist. “Seasick” wurde gemeinsam mit Christian Bennett geschrieben und lebt von einer zurückgenommenen, anfangs flüsternden Gesangsdarbietung. Die akustischen Gitarren wirken gelöst und umspielen das fragile Klangbild gemeinsam mit einigen anderen akustischen Geräten. Im zweiten Stück, “Death Behind Me”, schlägt Cole einen noch entrückteren Ton an. Besonders eindrucksvoll ist hier der Chorus, der fast klingt, als sänge Cole im Duett mit sich selbst.
Es folgen sechs Stücke des Albums “Fallowing”, das seinerzeit nicht nur in der Wahl seines Covers, sondern auch in den Themen der Songs eine stark autobiografische Färbung aufweist. Die Verbindung von Kindheitserinnerungen an Kiama, der kleinen Küstenstadt im Osten Australiens, mit dem Motiv des landwirtschaftlichen Zyklus durchzieht die Stücke – das Brachliegen des Feldes als Symbol für eine schöpferische Pause, aber auch als Ort der Verwandlung. Songs wie das gleichsam entspannte wie anrührende “Life is a Fable” oder das melancholisch-hymnische “Bell Tongues”, in dem Glocken wie aus einer anderen Welt die Verbindung von Leben und Tod besingen, geben dieser Thematik eine eindringliche Form. Andere Stücke aus diesem Album stellen den Kreislauf des Lebens ins Zentrum, so etwa das träumerische “Womb”, das lichtdurchflutete “Sunrise” oder das eindringliche “Fabric of Being”, das in einer früheren Version zusammen mit Grey Malkin entstand, hier jedoch mit Anthony Cornish am Harmonium eine spannungsgeladene Tiefe erhält. “Matins” mit seinen inbrünstigen Akkorden, trägt trotz seines klagenden Tons eine unterschwellige Freude in sich und somit an die Ambivalenz im besten Sinne, die sich durch viele von Coles Songs zieht, anknüpft. Schade ist, dass der großartige Opener “Pools of Christ” nicht Teil der Zusammenstellung geworden ist, aber das komplette Album ist sowieso nach wie vor eine Empfehlung wert.
Anschließend kehrt die Auswahl zurück zu “The Tracks of the Afterlander”, das schon bei seiner ursprünglichen Veröffentlichung zahlreiche neu interpretierte Trappist Afterland-Stücke enthielt und somit eine Zwischenposition im Werk Coles einnahm. Diese Rückführung unter das Banddach erscheint daher folgerichtig. Auch hier ist Anthony Cornish wieder als wichtiger musikalischer Partner mit an Bord. Das berührende “Sea Burial” etwa, das dem Vater des Musikers gewidmet ist, vereint Nachruf, Anrede und Gebet in einem einzigen Stück. Der Gesang wirkt verletzlich und zugleich entschlossen, auch der Text, der den Vater in vielen seiner Facetten besingt, scheint fast wie aus der Perspektive eines Kindes vorgetragen. Mit “Houses on a Hill” (mit Grey Malkin) wird ein reduziertes elektronisches Setting aufgerufen, dessen Tiefe sich erst nach und nach erschließt. Glockenspiel und Piano bilden dabei das dezent funkelnde Gerüst. Das bereits ältere, vom Kindheitsevangelium des Thomas inspirierte “Twelve Sparrows (in the Infancy of God)”, hier “Clay Sparrows” betitelt, wirkt geerdeter als in der Originalfassung, der märchenhafte Charakter jedoch bleibt, doch der Gestus ist gefestigter. In “Fairy Asylum” führt die Oud das Stück wie auf Zehenspitzen entlang eines geheimnisvollen Pfads. “From Which Burning Bush”, adaptiert von “Burning Bushes”, lebt von einem elektrisierenden Mollspiel auf der Gitarre, das dem spirituellen Motiv eine eigentümliche Spannung verleiht. “A Man of Sorrow” schließlich interpretiert das aus Jesaja entlehnte Thema, das auf mehreren Trappistplatten zur Sprache kam, mit leiser Eindringlichkeit.
Die abschließenden sechs Songs stammen vom bislang letzten Album “The Cellophane Sea”, das sich (auch) durch eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Anthony Cornish auszeichnet. Die musikalische Handschrift bleibt jedoch unverkennbar Coles. In “Drunk with the Flies” zeigt sich dies besonders deutlich: Die Kombination aus akustischer Gitarre, Sitar (Walker Phillips) und Glockenspiel (Grey Malkin) erschafft eine dämmerige, surreale Atmosphäre, deren Logik eher traumartig als erzählerisch ist. Der Titelsong “The Cellophane Sea” wiederum lässt trotz aller Versenkung eine nervöse Intensität durchscheinen, die das Lied deutlich vom Rest des Albums abhebt. “Blackwood” und “Hand on Crook” zeigen Cole wieder von seiner kontemplativen Seite. Beide Stücke wirken wie Reflexionen über das gute Leben und Dankbarkeit. “Sing a Song this Eve” knüpft mit seinem agilen Fingerpicking an Vorbilder wie Robbie Basho an und spielt mit der Thematik der Zeit. Das abschließende “A Long Goodbye” besingt eine göttliche, schöpferische Traumlogik und wirkt wie ein lupenreinesreines Trappist Afterland-Stück.
“Collected Solo Works” ist mehr als nur eine Zusammenstellung bereits veröffentlichter Songs des vielleicht besten derzeitigen Psych Folk-Sängers. Sie macht deutlich, wie schmal der Grat zwischen Coles Soloarbeiten und seinem Bandprojekt ist, auch wenn man die zwischenzeitliche Entscheidung für den Solonamen respektieren sollte. Wer bisher nur Trappist Afterland kannte, entdeckt hier eine weitere Vielzahl nuancierter Facetten. Und wer die Soloalben verfolgt hat, wird durch die erneute Zusammenführung vielleicht noch einmal anders auf dieses inzwischen erstaunlich geschlossene Werk blicken. (U.S.)
Label: Reverb Worship