Das neue Album “Quiet Pieces” des italienischen Komponisten Abul Mogard basiert auf einem Prozess der Wiederaneignung: Der Künstler arbeitete mit älterem, bislang unbearbeitetem Archivmaterial und kombinierte es mit neu entstandenen Stücken, die auf Samples aus klassischen Schallplatten seines verstorbenen Onkels beruhen. Diese spielte er in verlangsamter Geschwindigkeit ab, bearbeitete sie mit Effekten und ließ sie in die neuen Kompositionen einfließen. Dabei entstand eine Sammlung leiser, zurückhaltender Kompositionen, in denen sich verschiedene zeitliche Ebenen und klangliche Materialien zu einer stimmigen Atmosphäre verweben, die an manchen Stellen traumverloren wirkt, zugleich aber konkret genug bleibt, um eine enorme Tiefe zu entfalten.
Das eröffnende “Following a dream” beginnt nahezu unhörbar, aber von einer warmen, dröhnenden Grundierung getragen. Es bleibt von einer gewissen Unregelmäßigkeit geprägt, entwickelt sich in Wellenbewegungen und changiert zwischen Windrauschen, Summen und einer entrückten Präsenz. Eine leise Klarheit schält sich allmählich aus dem Grundrauschen heraus, ohne die ursprüngliche Struktur aufzugeben. Zum Ende hin verfestigen sich die Klänge und verlaufen schließlich in ruhiger Gleichmäßigkeit.
“Constantly slipping away” wirkt zu Beginn fast körperlos: Ein leises Knistern, kaum wahrnehmbar, nur hörbar mit der gebührenden Aufmerksamkeit. Doch das Stück baut eine stetige Spannung auf, entwickelt eine nervöse, beinahe alarmierende Rhythmik ohne Lautstärke, ohne jede Effekthascherei. Ein untergründiges Brodeln, wie ein sich ausbreitender Brand, durchzogen von technoiden Anklängen, verdichtet sich im weiteren Verlauf. Auch hohe, schrille Töne treten hinzu, die ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen. “In a studded procession” dagegen zeigt sich in einem ganz anderen Licht, denn hier tritt das Melodische stärker in den Vordergrund. Aus der Stille heraus entfalten sich Klangflächen, deren trostvolle Wärme unmittelbar berühren. Die sich überlagernden melodischen Linien sind subtil verwoben und erinnern in ihrer Struktur an einen Soundtrack, der eine greifbare Atmosphäre aufbaut, ohne konkret zu bebildern. Gegen Ende löst sich das Stück in flirrenden Klängen auf. Das folgende “Through whispers” greift diese Stimmung auf, setzt jedoch andere Akzente. Auch hier ist ein gleitender Verlauf spürbar, mit vibrierenden Tönen, die sich in einem weiten, hallenden Raum entfalten. Warme Klangfarben dominieren, zugleich aber bleibt das Klangbild offen genug, um beständig Neues hervorzubringen und eine subtile Bewegung entstehen lässt, die erst am Ende des Stücks zum Stillstand kommt.
Mit dem abschließenden “Like a bird” erreicht das Album einen Höhepunkt, der sowohl durch seine emotionale Aufladung als auch durch seinen formalen Aufbau besticht. Es beginnt erneut in Stille, dann steigen helle Töne in luftige Höhen, begleitet von einer melancholischen Melodie, die das Echo orchestraler Musik transportiert. Im weiteren Verlauf bricht jedoch ein bröckelnder, brodelnder Klangkörper hervor und gibt dem Stück eine Bodenhaftung die das Schwebende unangetastet lässt. Mit dem Einsetzen von Rauschen entsteht in der zweiten Hälfte eine fast infernalische Qualität. Für einen kurzen Moment scheint sogar etwas wie eine menschliche Stimme aufzuflackern. Doch auch dieses aufwühlende Moment wird schließlich wieder in Ruhe überführt.
Die Stücke auf “Quiet Pieces” bewegen sich oft an Orten der Schwelle – zwischen alt und neu, zwischen Erinnerung und Gegenwart, zwischen Struktur und Auflösung. Die Verbindung aus elektronischer Bearbeitung und analoger Quellenarbeit erzeugt eine Textur, die mit jeder weiteren Schicht an Tiefe gewinnt. Mogards Musik bleibt dabei stets zurückhaltend, aber in ihrer Zurückhaltung auch eindringlich. Er nähert sich dem Klang, wie es scheint, mit einer Haltung vorsichtiger Neugier, die sich auf die Hörerschaft eigentlich nur übertragen kann. (U.S.)
Label: Soft Echoes