KATHLEEN YEARWOOD: Wormwood 7″

Manche künstlerischen Stimmen verweigern sich konsequent jeder Form von Glättung, da sich die Welt, in der sie leben, nicht glätten lässt. Kathleen Yearwood gehört zu diesen Stimmen. Auf ihrer neuen, in rotem Vinyl geschnittenen 7″-Single “Wormwood / Voices and Lightenings” greift sie zentrale Motive der biblischen Apokalypse auf, allerdings weniger als religiöses Programm, sondern als Bildbereich für eine Wirklichkeit, in der Gewalt, Offenbarung und Innerlichkeit untrennbar verwoben sind.

“Wormwood”, die A-Seite, beginnt mit einer kurzen Lesung von Angeline Morrison, einem Satz aus der Offenbarung des Johannes, in dem von einem Stern namens Wermut die Rede ist, dessen Fall die Wasser der Erde mit tödlicher Folge bitter macht. Die Vorstellung von Verseuchung und Untrinkbarkeit ist hier nicht nur ein kosmisches Bild, sondern auch ein Echo gegenwärtiger Erfahrung. Yearwoods Gesang – kindlich hoch, fast schrill, zugleich fragil und kontrolliert – spiegelt diese Spannung wider. Die extremen Tonhöhen, die sie dabei durchläuft, wirken auf den ersten Eindruck bizarr, doch eingebettet in das kratzige, unregelmäßig gestrichene Fundament aus Kontrabasslinien, entwickeln sie eine eigentümlich dramatische Spannung. Das klingt nicht “roh” im Sinne des Lo-Fi-Klischees, sondern eher wie etwas, das jede vertraute Form gezielt verweigert.

“Voices and Lightenings” auf der Rückseite ist etwas wärmer gehalten. Der Bass wird gezupft wie eine akustische Gitarre, die Stimme bleibt zwar hoch, wirkt aber weniger angespannt, fast meditativ. Eingeleitet wird das Stück mit einer weiteren Passage aus der Offenbarung, hier gesprochen von Arild Stromsvaag: Sie beschreibt den Moment, in dem ein Engel Feuer von einem Altar auf die Erde wirft, begleitet von Donnern, Stimmen, Blitzen und einem Beben. Diese Kombination von Naturgewalt und göttlicher Geste bildet den Hintergrund für eine Musik, die nicht illustriert, sondern sich durch Reduktion und Dunkelheit umso wirkungsvoller erweist. In ihrer Mischung aus Minimalismus, folkig angehauchtem Saitenspiel und flüchtiger Melodik erinnert die Aufnahme auch an Continuous Music oder an Künstler wie Boduf Songs.

Die beiden Stücke erscheinen auch auf dem kommenden Album “Apokolypsis”, in dem sich Yearwood – ausgehend von einer Kindheitserinnerung – mit der Offenbarung als persönlichem und kollektiven Bild einer Entschleierung auseinandersetzt. Dort werden noch weitere Rezitierende zu hören sein, u.a. Adam Geoffrey Cole von Trappist Aftrerland – mehr dazu eventuell beizeiten.

Label: Reverb Worship / Future Grave