Nicht jeder Bruch ist laut, manche wirken sogar dann am stärksten, wenn sie sich beinahe verstecken – im Rauschen, im Flirren, in der subtilen Andeutung. “Cut”, das neue Album des italienischen Duos Phlåss, bewegt sich genau in diesem Bereich: zwischen dem Sichtbaren und dem beinahe Ausgeblendeten, zwischen Experiment und emotionaler Verdichtung.
Pasquale Lomolino und der auch als Architekt aktive Vincenzo Tattolo, die hinter Phlåss stehen und vor einiger Zeit bereits das Tape “Continuum” produziert hatten, verstehen ihr Projekt als eine Form kollektiver Klangforschung. Schon auf “Continuum” war das Interesse an flächigen Kompositionen zu hören, “Cut” jedoch denkt den Begriff der Fläche brüchiger, ohne dabei in bloße Fragmentierung zu kippen.
Fünf Stücke, aufgenommen an verschiedenen Orten in Italien zwischen Dezember und April, bilden das Material des Albums. Der eher kurze Einstieg “Chill” beginnt mit gemurmelten Stimmen und aufgewühlten Synthies, die glatt in Rhythm Noise übergehen könnten, doch dazu kommt es nicht. Stattdessen stören Lautstärkeschwankungen den Eindruck eines kontinuierlichen Flusses. Eine Art Rauschen liegt scheinbar über allem, unklar, ob es sich nicht doch nur um eine Fata Morgana handelt.
“Cave”, das zweite Stück, ist von anderer Natur. Naturgeräusche wie Seevögel und Wasserrauschen markieren hier nicht bloß ein Setting, sondern rahmen ein warm tönendes Drone, das sich allmählich ausbreitet. Eine dezente Melancholie schwingt mit, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen, eine stille Genügsamkeit ist spürbar. Doch auch dieses Stück bleibt nicht im Zustand des Gleichgewichts: ein aufhellendes Zischeln und Rauschen tritt hinzu, als würde eine Tür geöffnet und Luft in einen zu dichten Raum gelassen. Trotz aller Schichtung wirkt das Stück am Ende fast beiläufig ausgeblendet, ein bewusster Verzicht auf einen Höhepunkt.
“Carom” ist strukturierter und beinahe hektisch. Helles elektronisches Rascheln, tupfende Sequenzen und ein vorsichtiges Dröhnen ergeben ein Bild, das sowohl wacher als auch transparenter ist als die vorangehenden Tracks. Der Titel, so lässt sich recherchieren, könnte lexikalisch auf das Abprallen eines Objekts bezogen sein, oder auch auf ein indisches Brettspiel. Beides scheint im übertragenen Sinn mitzuschwingen: das Stoßen und Zurückprallen ebenso wie eine verspielte, aber nicht ziellose Anordnung von Details. Die hellen, leicht schneidenden Synthies erinnern streckenweise entfernt an Coil in ihren verspielteren Momenten.
“Cable” dagegen brodelt und knackt zunächst eher vage vor sich hin. Es entsteht eine Bewegung, die sich nicht linear, sondern eher tastend fortsetzt. Ein metallischer, perkussiver Klang bringt etwas Struktur hinein, aber kein stabiles Gerüst. Auch hier ist es gerade das Uneindeutige, das dem Stück seine Signatur verleiht.
Im abschließenden “Chain” überlagern sich Schleifen aus Stimmen, Rauschen und metallisch perkussivem Klang. Ein aufgewühltes Moment zieht sich durch den Track, in dem sich verschiedene Elemente wie in einer letzten Verdichtung überlagern. Schließlich kippt das Stück in ein überraschend warmes Dröhnen mit aquatischer Textur. Die Illusion einer weiblichen Stimme scheint darin zu liegen oder ein Rohrblasinstrument wie die armenische Duduk oder die in anderen vorderasiatischen Ländern verbreitete Nej.
“Cut” ist ein leises, durchdachtes Album mit manchmal infernalischen Ausbrüchen. Der Titel, wie auch die Tracknamen, alle beginnend mit dem Buchstaben C” verweist möglicherweise auf eine formale Idee, vielleicht auch nur auf einen offenen Zusammenhang. Sicher ist: Was Phlåss hier vorlegen, ist keine bloße Etüde im Sounddesign, sondern eine konzentrierte und eigensinnige Auseinandersetzung mit Struktur, Fläche, Störung und Stimmung.
Label: Backwards Records