JULIA KENT: Character

Man muss nicht gleich an etwas so Offensichtliches wie den Bildungsroman denken, wenn jemand das Leben mit einer literarischen Erzählung vergleicht. Jenseits kohärenter Geschichten mit all ihren Ausschmückungen und Auslassungen ist das menschliche Bewusstsein ein stets neu befeuerter narrativer Prozess, voll von ineinander verschlungenen Fragmenten erzählender, beschreibender und kommentierender Art. Was daraus entsteht ist ein Selbstbild als work in progress. Die Seelenkunde trägt dem vielfältig Rechnung, und für manche Schulen der Psychoanalyse ist der sogenannte Neurotiker primär jemand, der eine unvorteilhafte Autobiografie entwirft und lernen sollte, an Stil, Modus und Motiven zu feilen. Weiterlesen

ANTONY AND THE JOHNSONS: Cut The World

Die Vorstellung, dass unsere moderne Kultur von einer patriarchalen Denk- und Lebensweise geprägt ist, geht mindestens bis ins 19. Jahrhundert zurück und begleitet alle technokratischen Errungenschaften und ihre Schattenseiten als ein untilgbares Korrektiv. Das Anliegen dahinter ist keinesfalls bescheiden, will man doch dem phallogozentischen Denken (Derrida) eine feminine Sprache und je nach Credo auch Spiritualität nicht nur an die Seite stellen. Weiterlesen

ARBEIT/BEAUCHAMP/PALUMBO: Torino 012010

Ich weiß nicht, wann Jochen Arbeit erstmals auf das schon länger befreundete Gespann Beauchamp und Palumbo gestoßen ist, das meist noch zusammen mit Julia Kent unter dem Namen BLIND CAVE SALAMANDER firmiert. Die Zusammenarbeit der drei Klangbastler stand jedenfalls von Beginn an unter einem guten Stern. Seit Jahren touren sie inklusive Verstärkung, und die sanfte Dröhnung ihrer gemeinsamen Jams dürfte gerade für den Gitarristen der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN eine willkommene Abwechslung darstellen. Weiterlesen

JULIA KENT: Green and Grey

Im Zusammenhang ihrer letztjährigen EP “Last Day In July” sprach Cellistin Julia Kent bereits über ein neues Vollzeitwerk. Nun ist es da, und es knüpft an die Stimmung und Machart des nun fünf Jahre zurückliegenden “Delay”-Albums an. Das ist äußerst erfreulich, gemessen an ihren doch verhältnismäßig raren Lebenszeichen als Solokünstlerin und an ihrem somit noch unverbrauchten Stil. Umso schöner, dass es im Kleinen ein paar markante Veränderungen zu verzeichnen gibt. Weiterlesen

ANTONY AND THE JOHNSONS: Thank You For Your Love

Antonys Imagewandel vom engelsgleichen Sonderling zum Liebling der Popschickeria hat etwas Märchenhaftes, und mit ein paar tragikomischen Wendungen mehr gäbe seine Geschichte glatt einen gelungenen Almodovar-Stoff ab. Es gibt aber auch ein paar Dinge, die etwas schade sind. Weiterlesen

JULIA KENT: Last Day In July

Über Julia Kent ließe sich mittlerweile schon ein kleines Buch schreiben, so viele Bands hat sie bereits mit ihrem Cello begleitet, sei es auf Tour oder bei Aufnahmen. Eine Aufzählung würde hier den Rahmen sprengen, exemplarisch seien nur RASPUTINA, LARSEN, ANTONY AND THE JOHNSONS und BACKWORLD genannt. Dabei versteht sie es immer, ihre Arbeit mit Bogen und Saiten auf die stilistischen Eigenarten der jeweiligen Künstler auszurichten, jede Egozentrik scheint ihr fremd zu sein. Als vor wenigen Jahren dann ihr Debüt „Delay“ erschien, war die Überraschung umso größer, denn die kreative Eigenständigkeit ihrer auf Loops und Klangschichten basierenden Musik lag auf der Hand. Weiterlesen