THE GREAT PARK – Interview

Ins Meer gegossener Wein, ein brennendes Haus, ein kalt scheinender Mond an wenig beschaulichen Weihnachtsabenden – all dies und mehr begegnet einem in dem weitläufigen Mikrokosmos, nach dem der Engländer Stephen Burch sein Musikprojekt benannte hat: THE GREAT PARK. Das Urbild des großen Parks liegt, wie wir noch erfahren werden, in Windsor, England. Als fiktiver Ort findet sich der Park überall, wo Burch, der in Berlin lebende britische Sänger mit dem großen Interesse für Menschliches und Allzumenschliches, seine Gitarre auspackt und vor einer meist kleinen, aber begeisterten Gruppe an Zuhörern spielt. The Great Park ist das, was man etwas paradox als Soloprojekt mit wechselnden und wiederkehrenden Gästen bezeichnen kann – in seiner Kernvariante ist es lediglich Burch und seine Akustikgitarre, es gibt auf seinen Alben, die Titel wie “I Do Wrong”, “The Wife” und “Cellar” tragen, aber ebenso Aufnahmen, bei denen er von Schlagzeug, Banjo, Glockenspiel, Akkordeon und einigen weiteren Instrumenten unterstützt wird. Seine Lyrics sind nachdenklich, aber auch voller Freude und voller Drang, die Welt wie sie ist zu entdecken. Die Musik könnte man als vordergründig neuromantischen Folk mit doppeltem Boden charakterisieren, deren Schauplatz in der Tat eher die von Menschenhand angelegte großstädtische Grünfläche ist als die naturbelassene Wildnis. Eine Welt, die einem konventionell und bürgerlich erscheinen könnte, wenn er sie lediglich ästhetisieren und musikalisch dekorieren würde, doch Burch weiß sie immer gleichsam zu entzaubern, indem er auch das Abseitige und Abgründige mit hineinbringt – in einem (vielleicht etwas hinkenden) literarischen Vergleich würde ich von einem Thomas Hardy-Roman sprechen, den ein unaufmerksamer Leser vielleicht auf den ersten Seiten noch für ein Buch von Jane Austen halten könnte. Neben seinen manuell und individuell gestalteten Tonträgern ist Burch vor allem durch sein häufiges Touren bekannt, in den Genuss seiner Konzerte kamen in der letzten Zeit vor allem die Schweitzer und die Berliner. Die Bühne teilt er sich gerne mit vergleichbaren Musikern. Fee Reega und ANIMAL MAGIC TRICKS sind da sicher für einige noch zu entdecken, Joolie Wood und Simon Finn sind vielen Lesern wahrscheinlich bekannt. Doch genug der Vorrede, das Wort hat nun THE GREAT PARK.

Kannst du uns zu Beginn etwas über die Anfänge von THE GREAT PARK erzählen? Wie lange existiert die „Band“, und hattest du zuvor in anderen Gruppen gespielt?

Ich hatte so etwa 1998 in Irland mit der Musik angefangen, nachdem ich zuvor vier Jahre lang Malerei in England studiert hatte. Ich bin eigentlich dorthin gekommen um zu malen, machte dann aber mehr und mehr Musik, bis mir klar wurde, dass es im Grunde das war, was ich machen wollte. Es kam mir so vor, als kamen die Themen, die auch in den Gemälden vorkommen, in den Songs und der Musik besser zur Geltung. Ich ging zurück nach England und begann, unter meinem eigenen Namen erste Konzerte zu spielen. Etwa um diese Zeit spielt und komponierte ich Songs mit einer Londoner Künstlerin und Sängerin Vicky Steer – wir arbeiteten unter dem Namen BLANKET, nahmen 2007 ein Album zusammen auf und treten immer noch gelegentlich zusammen auf. Eine Zeitlang war BLANKET wesentlich aktiver als meine eigene Musik, aber das änderte sich 2008 nach der ersten Veröffentlichung als THE GREAT PARK.

Wie kamst du auf den Bandnamen?

The Great Park ist ein Ort in Windsor, England – ich lebte dort einige Jahre und verbrachte eine große Zeit in diesem Park. Es ist ein großes königliches Anwesen mit einer großen Ansammlung an Landschaften, gesammelten Objekten und in der Gegend verstreuten Häusern. Vieles davon ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich, aber es gibt immer noch Meilen an Land zu erforschen. Ich nahm ein Album auf, dass ich nach diesem Ort benannte – es bestand aus Songs, die meiner Meinung nach Geschichten waren, die sich in diesem Park zugetragen haben könnten. Auf eine gewisse Weise war es einfacher, die Handlung einzugrenzen, es an einem bestimmten Ort handeln zu lassen. Ich finde so etwas immer noch enorm hilfreich. Irgendwann gab ich ein Konzert in Brighton mit einer Reihe anderer Musiker – Kristin McClement am Piano und Thomas Heather an den Drums – ich fand es dann unpassend das Konzert nur unter meinem eigenen Namen statt finden zu lassen. The Great Park schien mir gut zu der Idee dieser kleinen Band zu passen, so behielt ich den Namen dann nach dem Konzert und dem Album bei. Auf den meisten Alben spielen auch andere Leute, mindestens zehn auf „I Do Wrong“, meist aber nur ein paar. „Cellar“ ist komplett solo, aber ich spiele gerne live mit einigen Freunden.

Auf deiner Myspace-Site beschreibst du deine Musik als „Blues“. Ist das mehr als Witz gemeint, oder beziehst du dich auf die ursprünglich Bedeutung des Wortes (“feeling blue” oder “singing the blues” für “traurig sein”)?

Ich mag Blues-Musik sehr – vermutlich höre ich Blind Willie McTell öfter als jeden anderen Musiker. Ich denke auch nicht so oft über eine korrekt passende Genre-Bezeichnung für Myspace nach. Blues, Blues Blues erscheint mir gut genug, passend und witzig obendrein. So ist es vielleicht mehr ein Witz als irgendwas, dass Leuten bei der Suche nach Musik behilflich ist.

Viele deiner Songs sind sehr erzählerisch und behandeln Erinnerung. Wie stark ist der autobiografische Aspekt deines Songwritings?

Es fällt mir nicht leicht, das zu beantworten, weil ich es nur schwer selbst einschätzen kann. Aber ich versuche ehrlich über Dinge zu schreiben, und dabei den Songs zu erlauben, sich ohne allzu viele  bewusste Gedanken zu entwickeln.Wir alle nehmen Geschichten von den unterschiedlichsten Orten mit, und für mich werden manche davon zu Songs. So ist auch nicht alles was ich schreibe autobiografisch. Ich probiere einfach aus und lasse die Dinge ihren Lauf nehmen, und erzähle sie so, wie sie es mir selbst suggerieren. Manchmal kommt es vor, dass ich Sachen schreibe, die sich wie eine kleine Nachrichtenreportage lesen, aber das macht dann nicht wirklich Spaß.

Kannst du uns etwas über die Keller-Metapher erzählen, die namensgebend für dein aktuelles Album ist?

Nun, im letzten Jahr wurde ich Zeuge eines Ereignisses, das mit einem Keller zu tun hatte – und es sah sehr schnell so aus, dass alles, was ich anschließend schrieb mit Dingen zu tun hatte, die danach passierten oder direkt davon beeinflusst worden sind. In diesem Fall geht es also um einen richtigen Keller, aber darüber hinaus auch um jeden andern Keller als einen unterirdischen Ort, an dem man Dinge aufbewahrt. Diese Platte wurde sehr zügig geschrieben und aufgenommen. Und . Ich denke, dass die neun Songs stärker zusammenhängen als dies auf irgend einer der anderen Platten bisher der Fall war, und vielleicht gint es hier weniger Metaphern und eine direktere Ausdrucksweise hier. Als ich es zurück nach Berlin brachte aus Irland, wo ich es alleine aufgenommen hatte, war ich etwas verlegen wegen einiger Texte. Aber nun ist das Album fertig und es ist wie es ist. Es wird früh genug wieder etwas neues geben.

In einigen deiner Lyrics geht es um die dunklere Seite des Menschen, du sprichst von einer Menschheit als “manunkind”. Wie optimistisch bist du?

Ich bin nicht sicher ob und wie ich das messen sollte, aber ich weiß zum Glück, wie ich mein Leben genieße.

“The Burning of Two” erzählt die brutale Geschichte eines von wütenden Nachbarn angezündeten Hauses und zweier Personen, die sich darin verstecken. Das Irritierende daran ist, dass es in der ersten Person erzählt wird. Ist es eine metaphorische oder allegorische Geschichte, oder bezieht sie sich auf ein historisches Ereignis?

Vielleicht bezieht es sich auf ein tatsächliches Ereignis, und als ich den Song schrieb mag ich etwas Bestimmtes im Sinn gehabt haben – aber wenn ich es heute höre, scheint es sich mehr auf bestimmte Empfindungen zu beziehen, die ich damals hatte. Jetzt interessiert es mich, warum du sagst, dass gerade die erste Person dich so irritiert – wie kommt das?

Es lässt die Geschichte echter wirken. Man hört ja nicht oft, wie einer davon erzählt von einem Mob angegriffen zu werden. Etwas anderes: Das Reisen zählt zu deinen wiederkehrenden Themen. Wie ich gelesen habe, bist du früher sehr häufig umgezogen, und heutzutage bist du häufig auf Tour (du erwähntest sogar drei Konzerte an einem Tag in Bern). Denkst du dass es so etwas wie ein ideales Verhältnis gibt zwischen der Sicherheit eines Zuhauses und der Freiheit des Ungebundenseins? Gibt es auch Momente, in denen du dessen müde bist?

Ich genieße das Reisen und an Orten aufzutreten, an denen ich nie zuvor war. Es kommt selten vor, dass ich denke, ich reise zu viel. Ich neige dazu, für Wochen unterwegs zu sein und dann wieder einen Monat lang an einem Ort zu sein, und zur Zeit komme ich damit gut klar. Vielleicht wäre es ideal, zwei Wochen unterwegs zu sein, und drei zu Hause, aber das ist schwer zu sagen. Glücklicherweise habe ich Freunde in anderen Städten und kann bei ihnen wohnen, wenn ich dort auftrete, und so ist es eigentlich nie ermüdend. Zur Zeit fühle ich mich in Berlin zu Hause und glücklicherweise kommt man von dort auch leicht an die verschiedensten Orte in Europa.

Wie du sagst, hast du die Bühne schon mit einer Menge anderer Musiker geteilt, Simon Finn zählt vielleicht zu den bekanntesten. Was sind die besten Erinnerungen an gemeinsame Auftritte?

Die meisten Leute mit denen ich auftrete kennen ich vorher schon als Freunde und als solche Betrachte ich auch Simon und Joolie Wood. Ehrlich gesagt weiß ich nicht so viele Anekdoten zu erzählen über Leute, die ihr kennen könntet, und die es sich zu erzählen lohnt. Konzerte spielen, und auf Tour gehen – das ist oft genau das,w as man erwarten: Durch die Gegend fahren, Instrumente tragen, trinken, stundenlang warten und dabei verzweifelt an etwas großartiges denken, dass man teilen könnte. Vielleicht komme ich noch mal auf diese Frage zurück…

Deine Musik ist folkinspiriert, und du hast sie auch selbst schon als “Winter Death Folk” bezeichnet. Betrachtest du dich als Folkmusiker in einem engeren Sinne?

Ich denke ehrlich gesagt nicht so sehr über meine Musik in diesen Begriffen nach. Ich dachte, Winter Death Folk klingt lustig und krude und auch ganz passend zu dieser Zeit. Aber wenn ich gefragt werde, dann würde ich mich schon als Folkmusiker bezeichnen, weil das wohl die Art von Song ist, die ich schreibe, die Versstruktur und die eher einfache Musik gehen in diese Richtung.

Heutzutage findet man Folk meistens in Kombination mit Präfixen (neo/weird etc.). Kommst du mit diesen Bezeichnungen klar?

Ich denke wie gesagt nicht so darüber nach, aber ich bin froh, dass die Sachen die ich mache, irgendwie benannt werden können, und von daher macht es mir auch nichts aus.

Magst du auch sogenannte „nicht-akustische“ Musik, und könntest du dir vorstellen, mal etwas Rockigeres oder Elektronisches aufzunehmen?

Ich höre gerne Musik, die akustisch ist – in dem Sinne, dass sie auf Instrumenten gespielt wird, die nicht direkt durch Kabel mit dem Aufnahme-Equipment verbunden sind. Ich mag den Klang von Mikrofonen und Räumen. Die Luft, die auf die Aufnahmen kommt, die in ganz normalen Häusern oder Räumen gemacht wurden, die nicht einem typischen, „klinischen“ Studio entsprechen. Deshalb mag ich auch alte Aufnahmen mit all ihren Geräuschen und ihrer hörbaren Räumlichkeit. Aber ich höre natürlich auch gerne andere Genres, viel klassisches Piano, auch Jazz und elektronische Musik. Ich mag zum Beispiel dieses MATMOS-Album, ‘A Chance To Cut Is A Chance To Cure’, auch Björk oder KARFTWERK. Ich mag aber diesen elektronischen Stil nicht, bei dem die Sounds so nach Sci-Fi klingen, nach einer Art von Space Music, nur weil man bestimmte Knöpfe gedrückt hat. Verstehst du was ich meine? All diese Countdowns und mit dem Phaser bearbeiteten „Stereo Spaceship Noise“-Sachen…Aber was meine Sachen betrifft – ich arbeite einfach mit dem was da ist, und das ist nun mal die Akustikgitarre. Ich würde gerne wieder  Aufnahmen mit einer Band machen und ein paar Shows spielen, wo auch Drums dabei sind. Vielleicht sollte ich mich mal daran machen. Es ist natürlich so viel einfacher, alles allein aufzunehmen und allein zu reisen. Vielleicht ist es im Grunde nur Faulheit.

Folk wird oft mit bestimmten Orten in Verbindung gebracht. Würdest du sagen, dass dein letztes Album durch deinen Aufenthalt in Berlin beeinflusst worden ist, und wenn ja, auf welche Weise?

Vielleicht habe ich das schon beantwortet – bei „Cellar“ ist das auf jeden Fall so, vielleicht mehr als bei jeder anderen Arbeit von mir. Es gibt ein paar Stücke mit sehr unbeholfenen, grammatisch unkorrekten Englisch, das kommt von dem Kampf mit der Sprache, den ich kenne, seit ich in einem anderen Land lebe. Eine Person, die ich kenne hat Schwierigkeiten mit Englisch, so wie ich mit Deutsch, und einige spontane Sätze von ihr sind auf der Platte mit drauf. Ich weiß nicht wohin das führt – aber ich interessiere mich sehr für Sprache, und ich mag Direktheit, am liebsten eine sehr krude Sprache, soweit das wirkungsvoll ist.

Auf einem Konzertplakat wurde deine Musik als “Todernstes akustisches Drama”  bezeichnet. Wie augenzwinkernd ist das gemeint?

Es ist eine Übersetzung von ‘grave acoustic drama’ – ich fand das passend und mochte den Wortwitz. Witzig, weil es wahr ist, wie Homer gesagt hat.

Deine Stimme erinnert einige an Edward Ka-Spel (LEGENDARY PINK DOTS) aud David Tibet (CURRENT 93). Bedeuten dir diese Künstler etwas?

Einige Leute erwähnen mir gegenüber Current 93, aber abgesehen davon, dass ich ein paar Leute aus ihrem Umfeld und ihrer Besetzung kenne, habe ich nicht wirklich viel von ihnen gehört. Ein Freund aus Kiel hat mir vor kurzem einen Teil ihres Werkes zukommen lassen, so dass ich mich damit auseinander setzen kann.

Ist dein Song “The Hills are Alive” von dem gleichnameigen Titel beeinflusst, den Julie Andrews in “The sound of music” singt? (es gibt sogar einen gleichnamigen Instrumental-Track von COIL).

Ja.

CD-Verkäufe sind nicht mehr, was sie einmal waren. Ist deine Entscheidung, handgemachte CDs zu entwerfen, eine Reaktion darauf?

Meinem eigenen Label – Woodland Recordings – ging es immer darum, schöne Dinge in einem kleinen Rahmen zu produzieren, begrenzte Projekte mit Leuten, mit denen ich zusammenarbeiten wollte und will. Ich denke nicht, dass wir mit großen Plattenfirmen mithalten können und so denke ich auch nicht, dass irgendwas was wir machen, eine Reaktion auf den Zustand der Plattenindustrie ist. Ich konnte bisher keinen Rückgang der Nachfrage bei uns feststellen – aber wir machen ja ohnehin nur ein paar hundert, so dass es nicht wirklich etwas ausmacht. Das es mir selbst Freunde bereitet ist mir am wichtigsten – auf diese Weise zu arbeiten und die Musik an Leute zu schicken und Feedback zu bekommen, das ist schon eine nette Sache.

(M.G. & U.S.)

www.woodlandrecordings.com