FADI TABBAL: I Recognize You From My Scetches

Fadi Tabbal, Musiker, Produzent und eine zentrale Figur der libanesischen Experimental- und Alternativszene, legt mit “I recognize you from my sketches” ein Album vor, das gleichermaßen introspektiv wie klanglich facettenreich ist. In zehn rein instrumental gehaltenen Stücken, die Samples zahlreicher befreudeter Acts enthalten, verhandelt er Themen wie Identität, Erinnerung und die innere Kluft zwischen Wunsch und Realität. Die Arrangements, geprägt von Gitarren, Tape-Loops und Synthies, bewegen sich zwischen melancholischen Soundscapes und dezenten rhythmischen Akzenten.

Bereits das Eröffnungsstück “(keep beating)” fällt durch seine klangliche Fülle und Dichte auf. Trotz des Titels fehlt jegliches offensichtliche Pulsieren, stattdessen entfalten sich Tremolos und ein unterschwelliges Rauschen, begleitet von einer melancholischen Grundstimmung. Das surreale, fast orchestrale Ambiente wird durch subtile unterschwellige Bewegungen im Untergrund kontrastiert. Auch “Absence or death” operiert mit minimalen, aber wirkungsvollen Mitteln: Eine wiederkehrende akustische Gitarrenfigur entwickelt sich langsam zu einer vielschichtigen Interaktion mit zurückhaltenden Klangelementen.

Hier scheint sich viel im Halbverborgenen zu ereignen, das mit den offensichtlicheren, vordergründigeren Ereignissen nicht kongruent ist und zugleich mit diesem eine interessante Interaktion eingeht. An Stellen wie dieser muss man Tabbals befreundete Musikerinnen und Musiker – Julia Sabra, Charbel Haber, Sharif Sehnaoui, Pascal Semerdjian, Anthony Sahyoun, Marwan Tohme und Ghassan Sahhab – erwähnen: Personen, die im Leben und Werk des Künstlers immer wieder eine wichtige Rolle gespielt haben und deren Samples und Zitate unter der Oberfläche auch den Sound des vorliegenden Albums prägen, was sehr zu der persönlichen Thematik passt, denn jede Biografie, jede persönliche Erinnerung wäre nicht was sie ist ohne das Wirken anderer. Die Halbdurchsichtigkeit der Sounds jedenfalls erzeugt so eine Spannung, die sich nie vollständig auflöst und auch die Frage offenlässt, ob wirklich nur die Abwesenheit das Leben schützt.

Eine besondere spannungsgeladene Wegmarke des Albums ist “Oh heart, are you burning”, das durch metallische Percussion und knarrende, verzerrte Dröhnungen eine bedrohliche Atmosphäre schafft. Die Dynamik steigert sich kontinuierlich, und die Klangwelt wird gegen Ende von obertonreichen Elementen dominiert, die eine beeindruckende Intensität erreichen. “You were right” hingegen wirkt unmittelbarer, direkter, kontrastierender: Hier treffen metallene Geräusche und der eine oder andere Goldregen auf einem Saiteninstrument auf dröhnendes, qualmwolkenartiges Rauschen, das sich zu einem intensiven Spannungsbogen verdichtet. Die Unvorhersehbarkeit des Stücks macht es besonders packend.

Im vergleichsweise sanften “(keep pumping)” überrascht Tabbal mit einer darkjazzartigen Gitarrenlinie, die in eine gelassen melancholische Stimmung eingebettet ist. Der Titel wirkt dabei wie ein Imperativ, der eine innere Konstantheit trotz aller Herausforderungen betont, und wieder kommt in diesem Stück kein wirkliches rhythmisches Pulsieren vor. Mit “(keep thumping)” schließt sich weiter hinten – nach “When We Swam Together”, das wie eine starke Komposition für ein Bläserorchester anmutet – dann ein Stück an, das rhythmisch geprägt ist – jedoch nicht durch klassische Beats, sondern durch perkussive Anschläge auf Saiten, die mit hohen, dröhnenden Klängen kombiniert werden.

Das finale Stück “I am all that is left” bietet einen ergreifenden Abschluss, indem es einmal mehr orchestrale Elemente aufgreift und in einem beeindruckenden Klangbild zusammenführt. Insgesamt überzeugt “I recognize you from my sketches” durch seinen minimalistischen Ansatz, der dennoch tief in emotionale und klangliche Schichten vordringt. Der Künstler selbst betont den stark persönlich eingefärbten Schwerpunkt des Albums: “I’ve struggled with mental health issues for most of my life, always affected by loneliness, missed opportunities, the violence of the city, and the cruelty of some of its inhabitants. I found solace only through composing music. I recognize you from my sketches is an album of ten instrumental pieces, a breakup album between who we want to be and who we turned out to be”.

In jedem Fall schafft es Fadi Tabbal, all diese persönliche Themen subtil und gleichsam markant in seinen Kompositionen zu verarbeiten, und beweist damit ganz nebenbei einmal mehr, warum er zu den innovativsten Künstlern der Region zählt. (U.S.)

Label: Ruptured