Caligo: Neues Werk von Siavash Amini

Mit “Caligo”, das am 11. Juli bei Room40 als CD und zum Download erscheint, setzt sich der iranische Komponist Siavash Amini auf radikale Weise mit Geschichte auseinander und mit der Frage, wie sich Klang transformieren lässt, ohne seine Herkunft zu verleugnen. Die Grundlage des Albums bilden zwei der frühesten Solo-Klavieraufnahmen aus dem Iran, interpretiert von einer Figur, die Amini als “unglaublich gewöhnlich und zugleich auf seltsame Weise verdächtig” beschreibt. Diese Aufnahmen wurden zerstückelt, rekonstruiert, transkribiert und erneut elektronisch belebt – digital, synthetisch und in vielfach verzerrter Gestalt. Aus diesem Prozess entstand eine Musik, die passagenweise dramatisch und manchmal sogar “dezent lärmend” oder orchestral anmutet, dabei jedoch nie in plakative Lautstärke kippt. Inmitten des Geschehens Klavierklänge, aber auch solche, die an Wasser erinnern, an Rauschen, Tropfen, Ströme, an Glocken, an Geräusche zwischen Mechanik und Zerbrechlichkeit. Immer wieder blitzen Momente auf, die das Kunstlied streifen ohne wirklich dort zu verweilen. Vieles bleibt in der Schwebe.

Im Zentrum des Albums steht eine literarische Referenz: Die Erzählung Malakoot, ein groteskes Novellenfragment, das sich um medizinische Eingriffe ästhetischer wie verstümmelnder Art dreht. Amini formuliert seinen konzeptionellen Ausgangspunkt wie folgt: “What remains after mutilating and reassembling an essential historical recording? How is it connected to a particular event in a grotesque and cyclical novella riddled with medical procedures of an aesthetic and deforming nature? Malakoot – this spiral, centres on a decision made one afternoon by a character. On a similar afternoon, full of anxiety, pressed by an unknowable presence in this city, I decided that the soundscape for such an inspiring work of fiction was a mutilated one; things collapsing in on themselves, self-decapitating, full of cuts and sutures. The material for all the surgeries was two of the earliest solo piano recordings in Iran’s history , played by an incredibly ordinary but, at the same time, fascinatingly suspicious character. The procedures were performed both on the snippets and cuts of the recordings themselves and with the help of various digital methods, on synthesized resurrections made from their transcriptions”. Entstanden ist ein Werk von großer atmosphärischer Dichte, cinematisch im besten Sinne, das Vergangenheit nicht rekonstruiert, sondern als verletzbares und zugleich widerständiges Material in die Gegenwart holt. Komponiert wurde “Caligo” im Herbst 2024 in Teheran, das Design stammt von Traianos Pakioufakis.