Mit “Crying Glacier” veröffentlicht das Label forms of minutiae am 23. Mai das zweite Album seiner Serie zum Internationalen Jahr der Gletscherbewahrung. Im Mittelpunkt steht eine vielschichtige Zusammenarbeit zwischen dem Vadret da Morteratsch und dem Klangkünstler Ludwig Berger – der Vadret da Morteratsch, der hier als Kollaborateur genannt wird, ist ein klanglich tatsächlich sehr agiler Gletscher im Schweitzer Kanton Graubünden. Über einen Zeitraum von fast zehn Jahren sammelte Berger mithilfe von Hydrofonen Aufnahmen des schmelzenden Gletschers, während der Regisseur Lutz Stautner simultan an seinem gleichnamigen Film arbeitete.
Die LP macht hörbar, wie sich das Eis klanglich artikuliert: Es brodelt, platzt, gurgelt, schnarrt, zischt, miaut, berstet. Aus dem Infernalischen des Gletscherrauschens entstehen aquatische Strukturen, die an tierische Laute ebenso wie an synthetische Signale erinnern, oft kaum zuzuordnen und wie elektrifiziert. “Crying Glacier” begreift den Gletscher nicht als Objekt, sondern als eigenständigen Klangkörper, dessen Vokabular nicht nur von geologischen, sondern auch von sozialen und ökologischen Fragen durchdrungen ist. Die letzte Komposition imaginiert, wie es vom Label heißt, eine Zukunft ohne Eis – ein akustisch verarmter Ort, dessen neue Geräuschkulisse eher an Trockenheit und Verkehr erinnert. Damit wird die Dringlichkeit des Gletschererhalts nicht appellativ, sondern durch sorgfältige klangliche Beobachtung vermittelt. Die LP erscheint in einer limitierten Auflage von 200 Exemplaren, daneben ist das Album auch digital erhältlich.