Nur ein halbes Jahr nach ihrer Kollaboration mit Helena Espvall bringt die in Berlin ansässige Komponistin und Klangkünstlerin Abigail Toll in den kommenden Wochen ihr neues Album heraus. “Idol”, das beim italienischen Label Superpang erscheint, ist inspiriert von Tolls Begegnung mit dem Ħal Saflieni Hypogäum auf Malta – einer rund fünftausend Jahre alten unterirdischen Kultstätte. Der Ort, bekannt für seine außergewöhnlichen Resonanzfrequenzen von 70 und 114 Hertz, spielt eine zentrale Rolle in Tolls Kompositionen: Ihre Flötenklänge, ihre dröhnende Elektronik und ihre Vocals sind in diesen Frequenzen verankert. Der Bezug zum Hypogäum ist dabei weniger archäologisch, sondern akustisch und körperlich erfahrbar, die Musik, so erfährt man sinngemäß vom Label, arbeitet mit der Vorstellung, dass bestimmte Schwingungen physiologische Empfindungen auslösen können.
Klanglich bewegt sich “Idol” zwischen warm-kernigem Dröhnen und feinen Vibrationen, die sich bisweilen in kratzendes, motorenhaftes Rauschen verwandeln. Immer wieder treten fragile, ohrnahe und fast geflüsterte Rezitationen hervor, die sich aus der Klangmasse erheben, um kurz darauf von dieser halb verschluckt zu werden. Toll untersucht, wie es ferner heißt, hier die Schnittstelle zwischen Klang, Materie und Erinnerung, zwischen dem Archaischen und dem Zeitgenössischen. “Idol” greift zugleich das Bild der in der Stätte gefundenen weiblichen Figur auf, einer Göttin, die in Tolls Musik als Energie, als Frequenz, als Resonanz und letztlich auch im Titel des Albums nachhallt. Die Frage, wie diese Figur überdauert hat, führt Toll zu einem Gedanken, der ihr Schaffen seit längerem prägt: dass sich Klang, ebenso wie Erinnerung, über das hinweg fortsetzt, was ihn trägt – durch die Körper, die Räume und die Zeiten, die er berührt.
Begleitend zur Veröffentlichung arbeitet Toll mit dem Multimedia-Künstler Anton Filatov an einer audiovisuellen Live-Umsetzung sowie an einer Ausstellung, die sich den akustischen, astronomischen und quantenphysikalischen Themen des Albums widmet. Beide Projekte werden vom 13. bis zum 16. November bei HOLON Berlin zu sehen sein. Als Vorab-Single wir der Titeltrack es Albums vom Berliner Label Verlag herausgebracht, der auch ein Rework des Tracks von Hüma Utku enthält.
Foto: Camille Blake courtesy of Chantal Michelle