ARBOURETUM: The Gathering

Wie es scheint, setzt Thrill Jockey beim derzeitigen Labelprogramm alle Karten auf Schwere, das heißt auf Stoner Rock und vor allem auf Doom in allen Varianten. Spätestens seit BARN OWLS gefeiertem „Ancestral Star“-Album ist der Funke dann auch endgültig auf das Publikum übergesprungen – Grund, gleich mehrfach nachzulegen. Zeigt THE SKULL DEFEKTS den Sound des Labels von einer komplexen und dynamischen Seite, so repräsentiert „The Gathering“, das vierte Album der Amerikaner von ARBOURETUM, die eingängige Downer-Version.

„The Gathering“ ist ein programmatisches Konzeptalbum, wenngleich man dies auch dann nicht sofort bemerkt, wenn man sich auf die Texte konzentriert. In den Linernotes erfährt man jedoch von der Beschäftigung der vier Bandmitglieder mit dem Werk C.G.Jungs, genauer mit den Traumprotokollen und übersinnlichen Visionen des berühmten Tiefenpsychologen, die den Stoff für sein „Rotes Buch“ bildeten. Obgleich diese Aufzeichnungen aus den Zehner- und Zwanzigerjahren eine Art Initialzündung für seine Forschungen nach dem Bruch mit Sigmund Freud darstellen, wurde das komplette Werk nach ca. 50 Jahren Tresor erst 2009 komplett veröffentlicht, und das Medienecho mag Arbouretum vielleicht zu ihrer Auseinandersetzung inspiriert haben. Nach Angabe der Band ist es vor allem Sänger und Gitarrist David Heumann, der ähnlichen Methoden der Selbsterforschung nachgeht – so sind einige seiner Allegorien und Symbole direkt aus Jungs Aufzeichnungen übernommen („The White Bird”), andere dagegen wohl komplett das Resultat eigener Erfahrungen mit dem Irrationalen.

Der Schwere von Arbouretums Musik steht eine recht freie Songstruktur entgegen, überraschende Wendungen, die vor allem die Vordergründigkeit einzelner Instrumente betreffen. Gitarrensoli, kantige Bässe, exzessives Drumming, Rhodespiano, Keyboard – jeder Virtuose hat hier seine großen Momente und trägt zu einer Vielstimmigkeit bei, die auch bei ausladenden Instrumentalpassagen nicht in Vergessenheit gerät. Nie entsteht der Eindruck, die Instrumente folgten einer egomanischen Mission, Einklang scheint dauernd im Fokus der Band zu sein.

Dass bei einem solchen Schwerpunkt auf dem Harmonischen auch besondere Melodien nicht zu kurz kommen, versteht sich fast – besonders stark in der Hinsicht ist das mystisch-folkige „When Delivery Comes“, dessen fesselnder Gesang von schweren Gitarren und schleppender Perkussion unterlegt ist, aber auch der kraftvolle Hardrock von Songs wie „Destroying to Save“. Bei der Interpretation des Klassikers „Highwayman“ gerät das Ganze bei reduzierter Klangfülle zu reiner Americana. Auch hier offenbart vor allem der Sänger ein Händchen für tolle Melodien, und wenn es an den richtigen Stellen („I was born above the tide, and with the sea I will abide“) immer tiefer wird, dann ist das natürlich unglaublich pathetisch, doch das geht in Ordnung, wirkt gewollt und gekonnt.

Doch Arbouretum drehen zum Schluss auch noch mal richtig auf, und wer sich von von den Trommelwirbeln in „Waxing Crescents“, den sturmumbrausten Gitarrenriffs in „The Empty Shell“ und den exzessiven Soli im gnostisch inspirierten „Song of the Nile“ nicht mitreißen lässt, der kann mit derart schicksalsschwerer Musik wohl nichts anfangen. (U.S.)

Label: Thrill Jockey