Erst kürzlich berichtete unser Magazin über die texanische Psychrock-Combo THE BLACK ANGELS. Im gleichen Atemzug werden mittlerweile gerne die kanadischen BLACK MOUNTAIN genannt, die ihre Fans ebenfalls dieser Tage mit einem neuen Album beehren. Dies mag vielleicht den beiden Bandnamen geschuldet sein, so wie viele Leute gerne von David Lynch auf Cronenberg kommen, und man sich bisweilen fragt, warum. Die Liebe beider Gruppen zur Rockmusik früherer Dekaden, die im jeweils eigenen Schaffen deutlich herauszuhören ist, trägt sicher noch mehr zu dieser Verknüpfung bei, die bei genauerem Hinhören jedoch etwas vorschnell ist.
Die kurz nach der Jahrtausendwende gegründeten BLACK MOUNTAIN sind das vielleicht bekannteste Projekt innerhalb eines kollektivartigen Freundeskreises, der vor den Toren Vancouvers um Sänger Stephen McBean entstanden ist, und wohl etwas augenzwinkernd unter dem markanten Namen „Black Mountain Army“ firmiert. In regelmäßigen Abständen entstehen dort weitere Musikformationen, wenn es denn die Hauptbeschäftigungen der Musiker, die fast alle in sozialen Berufen tätig sind, zulassen. Den einleitend genannten Vergleich zu den Texanern sollte man schon deshalb nicht überstrapazieren, weil der Bezug zum ursprünglichen Psychedelic Rock ein jeweils anderer ist. Die Black Angels sind eine lupenreine Genreband, bei der alles auf die musikalischen Idole und deren Ära bezogen ist. Offen und ehrlich museal, und zugleich mit genau dem nötigen Schuss Ironie, der einen Begriff wie Plagiat verbietet. Auch Black Mountain lassen den Hardrock früher BLACK SABBATH oder die Hippieklänge von JEFFERSON AIRPLANEs „Surrealistic Pillow“ nur zu gerne anklingen, allerdings ist dies bei den Kanadiern niemals Selbstzweck oder reine Hommage, sondern dankbar verwendete Bauform für die eigene ästhetische Mission. In einem Wort, die 60er und 70er sind bei Black Mountain unüberhörbar, und doch kaum der Rede wert.
Bereits im Vorfeld monierten einige, Black Mountain seien dieser Tage etwas zahm geworden und würden mit ihrem dritten Longplayer „Wilderness Heart“ wohl ein eher gefälliges Werk unter die Hörer bringen. Zu dem Haifisch hinter Gittern, der das Cover ziert, würde das passen, und der eröffnende „Hair Song“ mag den voreilig Enttäuschten sogar recht geben – erinnert der Song in seinem halb akustischen Shoegazersound doch fast ein wenig an McBeans zweite, diesmal testosteronfreie Band PINK MOUNTAINTOPS, die schon vom Bandnamen her die ironische (oder unironische?) Kehrseite des Hauptprojektes darstellt und sich anschickt, die in MY BLOODY VALENTINE und JESUS AND MARY CHAIN verliebten Indiefans nicht gleich mit zuviel Rock’n’Roll zu verprellen. Doch „Wilderness Heart“ nun auf diesen Sound zu reduzieren, hieße die Rechnung ohne einen Song wie „Old Fangs“ zu machen, der mit Orgel und schmissigem Chorus ordentlich rockt und nur noch von der Vollgas-Nummer „Let Spirits Ride“ übertroffen wird, bei deren Gitarrensolo alle DEEP PURPLE-Fans kollektiv zu höheren Freuden gelangen.
“Roller Coaster” verknüpft beides – die folkig sensible und die derbe Seite – noch am ehesten, und ist eine Laut und Leise-Hommage an eine rebellische Jugend im Land der diffusen Möglichkeiten. Hier besticht auch das gesangliche Zusammenspiel zwischen McBean und Amber Webber, in der viele nicht ganz zu unrecht eine späte Entschädigung für Grace Slicks musikalische Laufbahn nach dem Ende von Jefferson Airplane sehen. Ihren großen Auftritt hat Webber im Titelsong, der allerdings nicht an ihr ergreifendes Tremolo in „Queens Will Play“ (vom „In the Future“-Album) oder an die Glanzlichter ihres LIGHTNING DUST-Projektes heranreicht.
Vielleicht ist am Ende ein gewisser Hang zur Zweigleisigkeit das hervorstechendste Unterscheidungsmerkmal zu früheren Veröffentlichungen: männlicher und weiblicher Gesang, poppige und rockige Momente in ausgewogener Verteilung, zwei unterschiedliche Studios bzw. Produzenten, die in einem Fall dem Mainstreamrock entstammen, im anderen dem musikalischen Underground um Southern Lord. Dass all dies keinen zwiespältigen Eindruck hinterlässt, ist eine der größten Stärken von „Wilderness Heart“. (U.S.)