BONNIE ‘PRINCE’ BILLY & THE CAIRO GANG: The Wonder Show Of The World

An Will Oldham scheiden sich seit Jahren die Geister. Während die einen Tiefe und subtile Bedeutungsfülle in seinen Songs erkennen, sehen die anderen in ihm einen unermüdlichen Garanten der Ermüdung, der Idiosynkrasie in Verbindung mit gepflegtem Dahinplätschern stets ähnlicher Klänge. Aus einer gewissen Nahdistanz heraus ist es vielleicht nicht abwegig, bei der Beurteilung seines mittlerweile umfangreichen Gesamtwerks recht ambivalent zwischen beiden Positionen zu changieren.

Gerade sein aktuelles Werk „The Wonder Show of the World“ erfordert Aufgeschlossenheit, eventuelle Vertrautheit mit früheren Arbeiten und mitunter gar die Gunst der Situation, um beim Hörer anzukommen. Ist dies allerdings geschehen, entfaltet sich ein Werk voll gemütsreicher Größe. Zum Hintergrund des Projektes lässt sich zunächst sagen, dass BONNIE ‘PRINCE’ BILLY & THE CAIRO GANG nur in dem Sinne eine Kollaboration ist, wie alle Alben Oldhams. Emmett Kelly, der (hier zusammen mit dem Bassisten Shazad Ismaily) unter dem Namen THE CAIRO GANG firmiert, hat den lockigen Prinzen aus dem Laurel Canyon bereits wiederholt an der Gitarre begleitet und Instrumentalparts seiner Alben komponiert. Dies vielleicht am gelungensten auf dem in Island fertiggestellten „The Letting Go“, zuletzt auf dem vielleicht etwas zu nett geratenen „Lie Down In The Light“. Vielleicht war Dankbarkeit mit ein Grund, Kellys Projekt mit in den Interpretennamen zu nehmen, denn so umfassend anders als zuvor klingt das neue Bonnie ‘Prince’ Billy-Album nun auch nicht. „The Wonder Show of the World“ ist über lange Strecken balladesk im besten Sinne, erzählt dem Inhalt nach alltägliche Geschichten, die sich meist bedeutungsvoller und oft auch tragischer entpuppen, als es die freundliche und fast beiläufige Darbietung suggerieren mag. Wieder ist es der entspannte und leicht brüchige Gesang Oldhams an den Grenzbereichen des Falsett, der den größten Raum einnimmt. Die reduzierte Instrumentierung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug rechtfertigt die Floskel „unaufdringlich“, doch im Verlauf entpuppt sie sich als im Detail sehr wandlungsreich. Aus Kellys Gitarrenpicking kristallisieren sich in gewissen Abständen kleine Ornamente heraus, gelegentliche unerwartete Tempuswechsel überraschen, und kleine eruptive Schlagzeugwirbel sorgen für ebensolche Höhepunkte wie Oldham selbst – in Momenten, wenn er seine Stimmarbeit besonders forciert und mit Nachdruck Worte wie „Say I’m your Lover“ ruft. Keine sonderlich originelle Phrase? Das mag sein, aber Oldham ist einer der Songwriter, die sich das leisten können, deren Stimme, Gesangsstil und texterische Qualitäten über eine Markanz und Intensität verfügen, die sich durch sehr einfache, abgegriffene Wendungen paradoxerweise noch verstärken. Und so wirken die Lyrics wie gewohnt, als wären sie sehr spontan und eher beiläufig entstanden und träfen wie zufällig ins Schwarze. Als ich vor Jahren erfuhr, wie sehr Oldham Jhonn Balance als Sänger bewundert(e), war ich nicht sehr überrascht, denn über diesen kann man teilweise ähnliches sagen, wenngleich in anderen Zusammenhängen und bei gänzlich unterschiedlicher Musik. Und ebenso wenig überraschte es mich, wie gelungen Oldhams Beitrag später im Rahmen der Tribute-Supergroup THIS IMMORTAL COIL ausfiel. Oldhams größte Stärke liegt vielleicht darin, Bodenständigkeit und Weite wie selbstverständlich zu verknüpfen, und die Songs, bei denen es am besten gelingt, sind die eindringlichsten des Albums. So beispielsweise das vordergründig zahme „The Sounds are always begging“, bei dem die Gitarrenklänge, wie schon im Text besungen, wirklich wie aus einer fernen Waldlichtung herüberwehen und den Hörer gefangen nehmen. Oder das in seiner wunden Fragilität beeindruckende „Someone Coming Through“, bei dem Oldhams Stimme im Chor zu hören ist und mit viel Hall versehen eine verwunschene Stimmung evoziert. Ganz anders dann „Teach me to bear you“, dessen leicht entrückt wirkenden Gesang zu Anfang nur einen leichten Desperado-Touch aufweist, der sich an kleinen Egitarrenmustern entlanghangelnd verstärkt und sich am Höhepunkt des Stücks in der angemessenen Ausdrucksstärke entläd. Es mag nicht ganz an einen Klassiker wie “I Gave You” vom “Superwolf”-Album heranreichen, aber wer die im Laufe dieses Songs immer weniger in der perkussiv angeschlagenen E-Gitarre zurückgehaltene Emotionalität spürt, der versteht, wovon hier die Rede ist.

Wie gesagt, dieses Album braucht seine Zeit, und es enthält durchaus auch Momente, in denen die Songs schlicht countryeske Singer Songwriter-Musik bieten. Der doppelte Boden ist jedoch bei entprechender Empfangsbereitschaft leicht erkundet und offenbart die berührendsten Momente – vielleicht am besten, wenn man gar nicht gezielt nach ihnen sucht, wenn die Musik wie vergessen aus einem anderen Zimmer zu einem herüber schallt. (U.S.)