CONRAD SCHNITZLER & BJORN HATTERUD: Hirschgebrüll

Trägt ein Album bereits eine akustische Anspielung im Titel, dann legt man den Tonträger meist mit einer gewissen Erwartungshaltung ins Abspielgerät und meint zu ahnen, wie sich das ganze nun anhören könnte. Eine CD, auf der in unterschiedlicher Bearbeitung echtes Hirschgebrüll zu hören ist, wäre durchaus möglich. Beim Zusammentreffen zweier Musiker, deren Hauptwerkzeug seit jeher der Synthesizer ist, aber auch nicht allzu wahrscheinlich.

CONRAD SCHNITZLER, dessen frühere Bands TANGERINE DREAM und KLUSTER längst Legenden sind, und der wesentlich jüngere Norweger BJORN HATTERUD, u.a. bekannt aus dem ORIGAMI SKANDINAVIA-Projekt, spielen bestenfalls assoziativ mit dem Thema. Was hat es mit dem Brüllen des Tieres auf sich, dass dem allgemeinen Sprachgebrauch nach eher „röhrt“? Es könnte sich in einem Zustand äußerster Aufgeregtheit befinden, etwa auf der Flucht, von Frühlingsgefühlen ganz zu schweigen. Assoziationen, die durchaus zur Musik der beiden passen, denn die allesamt eher kurzen Stücke aus dem Album verbinden einen urtümlichen Klang mit überbordender Vitalität und überspannter Hektik. Dass der eine oder andere Song dem Hörer schon mal an den Nerven zerren kann, ist vielleicht sogar gewollt – etwa dann wenn noisiges Gefrickel vorübergehend den Eindruck erweckt, in einer Endlosschleife gefangen zu sein. An manchen Stellen entstehen durch ständiges Wiederholen bestimmter Rhythmen dröhnende Effekte, jäh unterbrochen durch die meist recht abrupten Endpunkte der einzelnen Tracks – wenn sie nicht schon vorab fiependen Keyboardklängen und einem monotonen synthetischen Geblubber Platz machen.

Die Musik ist durchweg minimal und macht bisweilen den Eindruck, auch konzeptuell eher durch das definiert zu sein, was sie nicht ist. Die Beats mögen seltsam und eindringlich sein – vertrackt und komplex sind sie nie. Nie klingt der Sound nach „Plastik“, und bei aller Lust an knarrigen Geräuschen tendieren Schnitzler und Hatterud nie zu banalen Distortions und anderen Stereotypen des tanzbaren Noise.

„Hirschgebrüll“ ist ein Album voller tiefer, dumpfer und unruhiger Klänge, das in seinen infernalischen Momenten durchaus auch Black Metal-Fans mit Blick über den Tellerrand gefallen könnte (man denke an Schnitzlers oft erwähnte Zusammenarbeit mit MAYHEM). In jedem Fall gelingt den beiden die Umsetzung einer ganz eigenen Vision elektronischer Geräuschmusik. Angesichts ihrer bisherigen Meriten sollte man das auch erwarten können. (U.S.)