Stephen Thrower und Ossian Brown debütierten 1999 mit „Luminous Darkness”, einem anspruchsvollen, unglaublich dichten Album von Geräuschmusik, das Throwers langjährige Mitwirkung bei Coil verriet, aber (weitaus) weniger am Song orientiert war. Der Nachfolger „The Visitors“ knüpfte daran an, enthielt aber einige wesentlich längere, ausufernde Tracks, die man durchaus als psychedelisch im besten Wortsinne bezeichnen konnte. Ihre (Re-)Interpretation bzw. (Neu-)Bearbeitung von Nurse With Wounds „Angry Eelectric Finger“ (die anderen Versionen stammten von Jim O’ Rourke und Matt Waldron) fiel so aus, dass die beiden in einem Interview, das sie mir anlässlich ihres ersten Auftritts auf dem von David Tibet kuratierten Donaufestival 2007 gaben, davon sprachen, dass man es bedingt als ihr drittes Album ansehen könne.
Mit Unterstützung von Thighpaulsandra, Mike York, Cliff Stapleton und John Contreras ist nun über einen Zeitraum von fünf Jahren das neue Werk des inzwischen in Hastings ansässigen Duos entstanden, eine LP, die an die Vorgänger anknüpft, aber auch Neues enthält. Schon die ersten beiden Alben und auch ihr Auftritt auf dem Donaufestival machten deutlich, wie sehr die vielschichtigen Elektronikspuren mit akustischen Instrumenten (Geige, Klarinette, Cello, Drehleier) harmonierten. Das eigentlich zum Klischee geronnene Wort vom organischen Klang bekam hier eine durchaus deskriptive und nachvollziehbare Funktion. Insgesamt erscheint das neue Album weniger laut, ist etwas transparenter als die Vorgänger, will sagen: Die Verdichtung, die auf einigen Tracks der ersten beiden Alben virulent wurde, ist hier einem etwas offenerem Klang gewichen. Dass „Wounded Galaxies Tap at the Window” teilweise filmischen Charakter hat, mag auch sicher Throwers cineastischen Interessen geschuldet sein.
„How Acla Disappeared from Earth“ wird von ruhigen, sphärischen, tendenziell melancholischen Synthesizerflächen bestimmt, die das Stück zu einem – um eine Formulierung Geoff Cox-Dorées aus dem den ersten 200 Exemplaren des Albums beiliegenden Text zu zitieren – „alien lullaby“ machen. Der zweite (und letzte) Track der ersten Seite ist länger und komplexer: „The Woods Are Alive with the Smell of His Coming“, ein ursprünglich für eine Ausstellung konzipierter Track, der –wie Brown und Thrower jüngst in einem Interview betonten – „narrativen“ Charakter hat, ist ein Opus Magnum, eine Anrufung des „großen Gotts Pans“ (Arthur Machen), eine Beschwörung des durch das Unterholz preschenden Fauns, eine Aufforderung: „Thrill with lissome lust of the light“ (A. Crowley). Die von Mike York gespielten Flöten („Come with trumpets sounding shrill“ – erneut Frater Perdurabo) und Cellofragmente von John Contreras illustrieren ein Stück, das sich nach einer Weile bis zur kurzen Hysterie und Ekstse steigert – dem aber auch immer etwas leicht Dämonisches und Bedrohliches anhaftet. „We’ll Witness the Resurrection of Dead Butterflies (Three Moons)“ wird dominiert von Cliff Stapletons orientalisch klingender Drehleier und erinnert (auch dadurch bedingt) etwas an Coils „Remote Viewer”, ein kurzes, unglaublich (ver)dichte(te)s Stück. Das lange „Sleeper“ erschafft aus dezenten Klavierpassagen, dem völlig entrückten Gesang Ossian Browns und Drones eine dem Titel entsprechende somnambule Atmosphäre, der Untertitel „The Unknowable Index“ mag ein passender Kommentar zum Ganzen sein. Das das Album abschließende Titelstück ist ein von dunklen Drones geprägtes, relativ elektronisch klingendes Stück. Hier scheint eine ferne Galaxie tatsächlich ans Fenster zu klopfen; Burroughs, von dem das Zitat stammt und Balance, der mit Coil ursprünglich ein Album mit diesem Titel aufnehmen wollte und dem „Wounded Galaxies“ gewidmet ist, mögen aus dem Äther begeistert rufen: „Spill wet electricity. Brightness falls from the air.“ (Cox-Dorée).
(M.G.)