Die Schweden ISOBEL & NOVEMBER haben letztes Jahr schon einen Longplayer herausgebracht, dessen Highlight „Big Black Crow“ ein richtiger Kracher gewesen ist. Ich tat den Song damals als Glückstreffer einer Band ab, die ansonsten ganz gekonnt auf der Welle gewisser Musik mitschwimmt, die man mit der Metropole Denver assoziiert: düstere Americana, die in Skandinavien natürlich so exotisch wirken muss wie der australophile Sound von MADRUGADA, das ganze mit einem Schuss Gothic und einer markanten Stimme. Das war allerdings etwas vorschnell, denn die Inspirationen der vier Musiker scheinen vielfältiger zu sein.
Auf der neuen EP vermisst man zwar solch einen herausragenden Song, aber deutlicher als zuvor demonstriert das Quartett die Eckpfeiler seines Stils. Nach einem bedeutungsschwangeren Piano-Intro setzen die charakteristischen Bestandteile der Musik ein, zum einen ist das Per Erik Soderbergs Grabesstimme, die sich Stellenweise wie ein missing link zwischen David Eugene Edwards und Carl MacCoy anhört, und die poetische Zeilen über ein paar Schlüssel anstimmt, die seit gefühlten Ewigkeiten unter einer dicken Staubschicht vor sich hin dämmern. In welch einen Raum führt die Tür, die sie dem erschließen, der ihrer habhaft wird? Isobel & November wären Spielverderber, würden ihre Texte allzu beredte Auskunft über die Story geben, die sich vage durch die Songs zieht, und deren Schauplatz eine magische, surreale Welt ist. Die zweite Zutat ist rhythmischer Natur und könnte zu den sinistren Vocals nicht besser passen. Pulsierende Post Punk-Rhythmen wie aus einem urigen Schuppen der frühen 80er durchziehen beinahe die ganzen gut zwanzig Minuten wie ein dunkelroter Faden und deuten Schicksalhaftes, Unauslegbares an, vielleicht Verlassenheit. Bezeichnete man die besagten Denver-Bands noch eher aus Verlegenheit als Gothic, um den morbid-melancholischen Charakter ihrer Musik zu umschreiben, so stehen Isobel & November auch stilistisch in der Tradition des klassischen Dunkelrock. Ein dunkler Gang weit unter der Erde, unwegsame Stufen, vom Ende des Tunnels her ein Licht, ohne dass man wüsste, ob es denn Gutes verheißt. In solchen Sphären bewegt sich die Musik, passend zur visuellen Umsetzung, während der Sänger Verse wie „I’m the burning ember, guardian of great transformations“ anstimmt und den Weg in fantastische Welten weist. Ihr gekonntes Instrumentenspiel exerzieren die vier in jedem der Songs, doch immer wieder stehen andere instrumentelle Parts im Vordergrund: Kraftvolle Gitarren und Trommelwirbel in „Our Hands Towards The River“, fatalistisches Orgelspiel und allerhand Akustisches in „Many Yonder“, ein kantiger Bass in „Last Feather Flown“.
Die vier Schweden dürften mit ihrem dezent angefolkten Düsterrock und ihren symbolreichen Texten genau die richtige Kunst hervorbringen, mit denen man lichtscheue Gestalten zwischen den Fantasyregalen der örtlichen Bibliothek hervorlocken kann. Dass die vier Stücke wie aus einem Guss wirken und fast eine Einheit bilden, mag eine der Qualitäten von „Sleeping Keys“ sein. Dennoch: Für das nächste Album wünsche ich mir wieder so einen Hit wie „Big Black Crow“. (U.S.)