KINIT HER – Interview

KINIT HER, das aus Nathaniel Ritter und Troy Schafer bestehende Duo, hat innerhalb kurzer Zeit mit einer Reihe von Veröffentlichungen ein originelles Werk erschaffen, das sich aus einem reichhaltigen Fundus teils randständiger Musik speist und das im Spannungsfeld zwischen Song und Experiment, Folk und rituellen Klängen steht. Titel und Artwork verorten KINIT HER in Regionen jenseits der Ratio und Nüchternheit. Seit kurzen besteht neben KINIT HER das neue Projekt WREATHES, das stärker auf den Song fokussiert ist.

Ihr habt kürzlich ein Mitglied „verloren“. Hat das euren Kompositionsprozess oder euer Livespiel beeinflusst?

Das Livespiel ist sicher anders. Seit wir Vince an die Wildniss von Wisconsin verloren haben, haben wir erst ein paar sehr kleine Shows gespielt. Es ist eine Herausforderung, als Duo unser aufgenommenes Material wiederzugeben, hauptsächlich wegen der Menge an Schichtung und Harmonisierung, die auftreten kann. Die Orchestrierung auf unseren Platten ist oftmals sehr dicht mit einer Vielzahl von Instrumenten. Andererseits ist das Komponieren dadurch nicht schwieriger geworden. Ich glaube, dass wir jetzt eher mit einer genauen Absicht schöpfen anstatt herauszufinden, welche Rolle jedes Mitglied spielt.

In einem Interview habt ihr erwähnt, dass KINIT HER ein Ausdruck eurer dunkleren Seite sei. Welche Begriffe würdet ihr verwenden, um die Eigenschaften dieser Dunkelheit zu beschreiben?

Auch wenn KINIT HER definitiv etwas von unseren dunkleren Sachen enthalten hat, so ist es dennoch nicht ohne Licht. Vielleicht wäre eine etwas passendere Beschreibung, dass KINIT HER zum Hauptventil unserer spirituellen Seite geworden ist, und somit notwendigerweise sowohl dunkle als auch helle Eigenschaften besitzt.

Heutzutage scheint mit der abnehmenden Relevanz von Musik für jüngere Menschen eine Beschleunigung vom Erfinden von Genretermini einherzugehen (wenn man daran denkt, wie lange es dauerte, bis Postrock auf der Bildfläche erschien und inzwischen gibt es sogar schon so etwas wie Postdubstep). Eure Musik scheint sich einer einfachen Kategorisierung zu entziehen, wobei ihr auf eurer Bandcamp-Seite Bezeichnungen angebt, um eure Musik zu beschreiben. Mit welchem Begriff könnt ihr am ehesten leben?

Genres und Bezeichnungen gibt es aus Bequemlichkeit – das ist alles. Leute schreiben dieser Debatte zu viel Gewicht zu. Wir versuchen nicht unbedingt das musikalische Establishment herauszufordern und wir lassen uns dadurch auch nicht beim Songschreiben eingrenzen. Deswegen ist es ok, eine Bezeichnung auf eine Webseite zu packen. „Experimentell“ ist vielleicht der passendste Begriff, ohne dass man dadurch etwas zu einem speziellen Genre sagt. Ganz sicher wird auch „Neofolk“ herumgeworfen werden und das ist auch ok.

Wie sehr illustriert das Artwork den Inhalt eurer Texte bzw. das Thema der Veröffentlichung?

Unsere Veröffentlichungen waren bislang sowohl was Klang als auch Artwork anbelangt, so unterschiedlich, dass es schwer ist, sie zu kommentieren als seien sie eine Einheit oder eine zusammenhängende Serie. Für einige Veröffentlichungen haben wir das Artwork gestaltet – bei anderen wie z.B. „Divine Names“ und dem demnächst erscheinenden „Gratitudes“ – haben wir uns talentierte Leute von außen geholt, insbesondere Sin-Eater Illustration. Es ist bislang mehr darum gegangen, dass das Artwork ähnliche Vorstellungen transportiert wie die Musik, ohne dass beides notwendigerweise direkt miteinander verbunden ist.

Eure Veröffentlichung „Living Midnight“ scheint eine gewisse rituelle Qualität zu besitzen, während „Glyms or beams…“ oder „Vedic Hymns“ sich mehr auf den Song zu konzentrieren scheinen. Würdet ihr sagen, dass eure Musik verschiedene Zwecke/Funktionen hat?

Es gibt sicher auf anderen Veröffentlichungen Stücke, die einen eher zeremoniellen Charakter haben und so den Hörern eine rituellere Hörerfahrung geben als die songorientierten Stücke, die den Großteil unseres Werkes ausmachen. „Living Midnight“ steht für sich in unserem Werk, da es mit einem unserer engsten kreativen und gesitigen Freunde live aufgenommen wurde, während die Sonne durch den Palo Santo-Rauch schien, der an einem frühen Sommertag durch die Harvest Abbey zog. Selbstverständlich ist die wichtigste Funktion unserer Aufnahmen, dass sie als erfüllende kreative Ausdrucksmöglichkeit unserer Zusammenarbeit dienen.

Auf eurem Debüt war der Gesang besonders „seltsam“ und „hexenhaft“ (Begriffe, die man besser in Anführungszeichen setzt), während auf „Vedic Hyms“ oder „The Lord of Power“ der Gesang etwas konventioneller war (auch wenn man den Eindruck hat, dass ihr immer noch gerne Brüche in der Melodie habt). Könnt ihr etwas zur Entwicklung des Gesangs sagen und wie wichtig (ver)störende Elemente für eure Musik sind?

Die Gesangstechniken auf unseren ersten Alben waren notwendig, um unsere Art der Ästhetik zum damaligen Zeitpunkt auszudrücken. Als sich KINIT HER als Trio formierten, hatten wie eine Art Freiheit, die keiner bislang bei seinen anderen Projekten gespürt hatte. Der „seltsame“ und „hexenhafte“ Gesang auf „Glyms“ war ein Ergebnis der Erforschung dieser Freiheiten. Für mich klingen sie eher feierlich als verstörend. Durch unser Experimentieren mit KINIT HER haben wir neue Arten des Schreibens und Aufnehmens entwickelt. Als WREATHES probieren wir diese Methoden aus, um einen konzentrierteren – und für mich – intimeren Stil unserer Musik zu produzieren. Der Gesang ist da keine Ausnahme.

„The Lord of Power” und „Divine Names” klingen etwas mittelalterlich. Ist das eine Richtung, die ihr auf euren nächsten Veröffentlichungen weiter verfolgen wollt? Könnt ihr etwas zur Entwicklung dieser Aufnahmen sagen?

Unser Klang entwickelt sich immer weiter, aber der Zusammenhang unserer Veröffentlichungen wird weiterhin unterscheidbar sein. Wir waren schon immer von Folk aus verschiedenen Zeiten interessiert. Diejenigen, die danach auf unseren künftigen Veröffentlichungen suchen, insbesondere als WREATHES, werden nicht enttäuscht werden.

Ihr habt eine 12″ mit BURIAL HEX veröffentlicht und Clay Ruby hat bei „Living Midnight“ mitgemacht. Könnt ihr etwas zu der Zusammenarbeit mit ihm sagen? Was schätzt ihr an ihm als Mensch und Künstler?

Ursprünglich haben wir uns durch einige lokale Musikveranstaltungen in The Tomb kennen gelernt und uns wurde dann schnell klar, dass wir auch außerhalb der Musik gemeinsame Interessen hatten. Deswegen entwickelte sich die Zusammenarbeit ganz natürlich als wir unsere Freundschaft weiter vertieften. Das Lied „Storm Clouds” war das erste Stück, an dem wir arbeiteten und schließlich entwickelte es sich zur Splitveröffentlichung „Vedic Hymns“. Seitdem sind wir gereist, haben eine Abtei/ein Studio aufgebaut, haben studiert, ein Label gegründet und arbeiten weiterhin zusammen. Clay ist einer der nettesten, intelligentesten und provokantesten Menschen, die wir kennen.

Nachdem Myspace „neu gestaltet“ worden ist, haben viele Bands diese Plattform verlassen. Könnt ihr etwas zu euren Erfahrungen mit Bandcamp sagen?

Sie haben angefangen einen Teil der Verkäufe zu nehmen, also sind sie sicher nicht so großartig wie zu der Zeit, als wir unsere Seite da begonnen haben. Es gibt wirklich keine perfekte Onlineplattform für Musik und es ist zweifelhaft, ob es die je geben wird.

Wird „The Lord of Power“ auch auf Tonträger veröffentlicht werden?

Ja, es wird demnächst als Lathecut bei dem großartigen Label Alt.Vinyl veröffentlicht werden.

Was könnt ihr über WREATHES und die Verbindung dieses Projekts zu KINIT HER berichten?

WREATHES ist eine Weiterentwicklung unser Song orientierteren Arbeit mit KINIT HER. Mit KINIT HER haben wir viele verschiedene Arten des Komponierens, Aufnehmens und Spielens ausprobiert. Auch wenn wir mit all diesen Arbeiten zufrieden sind, hatten wir dennoch manchmal das Gefühl, dass wir alles, was uns gerade einfiel, in einen Topf warfen. Wir hoffen, dass wir mit WREATHES etwas Ausgereifteres und Konzentrierteres als in der Vergangenheit bieten können. Auch wenn KINIT HER weitergeht, so wird es eher unseren rituelleren Aufnahmen dienen.

Das ist eine etwas allgemeinere Frage. Gibt es Grenzen, die ihr als Künstler nicht überschreiten würdet/wollt?

Natürlich. Wir sind sehr stolz auf das, was wir machen. Kompromisse haben nichts mit KINIT HER oder WREATHES zu tun.

Interessiert ihr euch für psychologische Aspekte der Gesellschaft und ihrer Erforschung?

Die Erforschung des Unterbewussten ist uns als Künstler und Individuen sehr wichtig. Ich denke, dass das deutlicher werden wird, da bei unseren Veröffentlichungen als WREATHES die Texte abgedruckt sein werden.

Habt ihr irgendwelche letzten Worte?

Danke für die Gelegenheit diese Fragen zu beantworten.

(M.G., D.L., S.L.)

www.myspace.com/kinither